Die Luft, die du atmest
zerstreuen könnte. Tatsächlich erreichte er nur, dass sie sich noch einsamer fühlte. «Fährt Shazia mit?», hörte sie sich fragen.
«Nein. Das kann nur einer allein erledigen. Ich habe sie gebeten, hierzubleiben und Liedermans Notizen für mich durchzusehen. Erinnerst du dich noch an das Buch, das ich schon so lange schreiben will?»
«Ja, klar.» Sie legte ihren Löffel hin und sah ihn an. Rötliches Licht fiel auf sein Gesicht. Es tauchte die ganze Küche in Rot. Ann drehte sich nach der Quelle um. Sie lehnten sich beide über das Spülbecken.
In einer Einfahrt in ihrer Straße stand ein rot- und weißblinkender Rettungswagen. Die Sirene hatte er abgestellt. Vielleicht fuhren sie mitten in der Nacht immer ohne Sirene.
«Steht der bei Al?», fragte Peter.
«Vermutlich. Er hat letztes Jahr den Bypass bekommen. Wobei er heute Nachmittag eigentlich nur ein bisschen müde aussah.» Er hatte dagestanden und Sue an seiner Seite umschlungen. Ann hatte sehnsüchtig zugesehen und daran gedacht, wie ungezwungen sie und Peter früher miteinander umgegangen waren.
«Vielleicht ist es etwas, von dem wir nichts wissen.»
Die Fahrertür ging auf. Ein Mann stieg aus und ging um den Wagen herum. Er öffnete die Hecktüren und zog eine Krankentrage heraus. Ein zweiter Mann kam hinzu. Er hievte eine große Tasche auf die Trage, und beide rollten sie zum Haus. An der Tür blieben sie kurz stehen. Sie stand weit auf, und sie gingen hinein.
«Müssten sie nicht schneller gehen?»
Sie spürte, wie Peter die Schultern hob.
Einer der Rettungssanitäter kam rückwärts wieder heraus. Er hob die Trage über die Stufen vor dem Haus. Der zweite Mann tauchte auf.
Ann versuchte zu sehen, ob noch jemand dabei war, aber sie konnte niemanden sehen. Sue musste noch im Haus sein, um ein paar Sachen zu packen und dann mitzufahren. Ihre Eltern waren schon abgefahren. Sie hatten eine Katze, um die sie sich sorgten. Sie hatte ihr Auto vorhin gesehen, wie es aus der Straße fuhr. Sie sollte rasch rüberlaufen und anbieten, auf Jodi aufzupassen. Erst als sie schon ihren Becher abgestellt hatte, fiel ihr ein, dass das ja gar nicht ging. Natürlich nicht. Sie konnte nur dastehen und hilflos zusehen.
Unten vor der Treppe lösten die beiden Männer die Bremsen an den Rädern und rollten die Trage den Weg hinunter. Sie bewegten sich sehr langsam. Beide trugen Atemschutzmasken und Schutzbrillen, die ihnen ein eigenartig insektenhaftes Aussehen verliehen. «Siehst du das?» Sie hoffte, dass Jodi schlief. Es war ein schrecklicher Gedanke, dass ein Kind dabei zuschaute.
«Ich denke mal, das machen sie jetzt generell.»
Sie sah sein besorgtes Gesicht. Vermutlich hatte er recht.
Die Männer rollten die Trage zwischen sich die Einfahrt hinunter. Ann konnte nichts erkennen. Einer der beiden versperrte ihr die Sicht. Er betrat die Einfahrt rückwärts und schwenkte die Trage so, dass sie längs vor dem Heck des Rettungswagens zu stehen kam. Nun konnte sie die Trage gut sehen. Die Bettfläche war ganz und gar weiß, komplett mit einem Laken zugedeckt. Sie sah leer aus. War es nur ein falscher Alarm gewesen? «Warum fahren sie wieder?»
«Ann», sagte Peter. «Das ist nicht Al.»
Sie sah noch einmal hin und erkannte eine kleine Wölbung im Laken. Sie hielt sich am Rand des Spülbeckens fest.
O mein Gott. Jodi.
Ihr Herz pochte laut. Das konnte nicht sein. Sie war doch nur ein kleines Mädchen. «Aber sie war doch gesund. Sie wirkte gesund.» Sie war doch erst am Nachmittag über den Rasen gelaufen und hatte sich lachend ihrer Mutter in die Arme geworfen.
«Mm-hm.»
«Kann es so schnell gehen?»
Er nickte.
Ann begann zu zittern. «Könnte es nicht was anderes sein?»
«Doch.»
«Aber du weißt, dass es nicht so ist.»
Jodi.
Und sie war ihr immer so auf die Nerven gegangen. Gestern hatte sie noch mit ihr geschimpft. Sie hatte sie nach Hause geschickt. Sie blinzelte, um nicht zu weinen.
Die Beine der Trage wurden eingeklappt und die Trage in den Wagen gehoben. Ein Sanitäter kletterte auf den Fahrersitz. Die Hecklampen leuchteten auf.
Die Angst schnürte Ann die Kehle zu. Ihre Hände krallten sich um den stählernen Rand der Spüle.
«Peter», flüsterte sie. «Sie war hier. Sie war mit den Mädchen auf dem Trampolin.»
FÜNFZEHN
Peter schlug mit der Faust an die Tür. «Hallo?» Er formte die Hände zu einem Trichter vor dem Mund und legte sie an die Scheibe. «Ist da jemand?»
Auch nach einer Viertelstunde keine Spur von einem
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