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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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Sicherheitswächter. Peter sah den runden Empfangstresen und den oberen Rand des Computerbildschirms dahinter, aber dort saß niemand. Wer auch immer im Dienst war, Hank oder Arnold, musste gerade seine Runde drehen. Wie lange konnte es schon dauern, vier Etagen zu kontrollieren? Vielleicht war es ja auch eine Toilettenrunde. In dem Fall konnte Peter wohl noch eine ganze Weile hier stehen.
    Eine Bewegung hinter der Scheibe. Aha. Jemand kam auf ihn zu. Peter kniff die Augen zusammen. Das war nicht Hanks breiter Gang, und die Gestalt war kleiner als Arnold. Im Näherkommen zog der Mann sich eine Schutzmaske über Mund und Nase. Er entriegelte die Tür und hielt sie auf. «Ist da also doch jemand.»
    «Lewis?» Was machte er hier? Ach ja, seine Labortiere. Die mussten gefüttert werden. «Wo ist Hank?»
    Lewis zuckte die Achseln. «Wer weiß? Als ich heute Morgen kam, war keiner da. Gut, dass ich einen Schlüssel habe.»
    «Ist sonst noch jemand da?» Sie liefen über den Flur.
    «Ab und an kommt jemand vorbei. Drüben bei den Medizinern ist mehr los.»
    Vor dem Fahrstuhl blieben sie stehen.
    «Hast du schon gehört?», fragte Lewis. «Menschenskind, sie ist wirklich da, mitten unter uns hier in Columbus.» Peter zuckte nur die Achseln. «Bis dann», sagte Lewis schließlich und steuerte auf die Tür zum Kellergeschoss zu.
    Jodis kleiner Körper war unter dem Laken kaum auszumachen gewesen. Als er am Morgen das Haus verlassen hatte, hatte Ann aus dem Küchenfenster gestarrt, mit blassem Gesicht, den Becher reglos am Mund. Er wusste, dass sie nicht geschlafen hatte.
    Peter schloss sein Labor auf. Als er eintrat, roch es süßlich nach Lösungsmitteln, ein vertrauter Geruch, der für ihn etwas Tröstliches hatte. Er streifte Handschuhe über, zog seinen Laborkittel an und öffnete den Gefrierschrank.
    Die Teströhrchen waren da, die Wattestäbchen ragten aus dem klaren Kunststoff. Er wollte die Tür schon wieder schließen, als er zögerte. Er zählte noch einmal nach. Eine der Proben vom Sparrow Lake fehlte. Er würde Shazia danach fragen müssen. Vielleicht hatte sie es versäumt, die richtige Anzahl zu entnehmen.
    Er stellte die Teströhrchen zum Auftauen auf den Labortisch, setzte die Zentrifuge in die Werkbank und stöpselte sie ein. Schließlich holte er die Schachteln mit den Untersuchungskits und die Tüte mit den Mikroschläuchen aus dem Regal.
    Es war seltsam, in dieser Stille zu arbeiten. Peter war Hintergrundgeräusche gewöhnt. Telefone klingelten, Türen gingen auf und zu, Leute kamen herein, um ihn etwas zu fragen. Shazia hatte mit ihm kommen wollen, aber er hatte sie überredet, zu Hause zu bleiben. «Bleib du im Internet. Sag Bescheid, wennsich etwas tut.» Es hatte keinen Sinn, dass sie beide das Risiko eingingen, erwischt zu werden.
    Er hielt die Zentrifuge an und entnahm vorsichtig die Wattestäbchen, um anschließend das übrige Material mit Pipetten in saubere Röhrchen umzufüllen. Die Chemikalien aus den Testkits tröpfelte er nacheinander auf das Ausgangsmaterial, um es von Lipiden, Bakterien und Proteinen zu reinigen. Er hielt ein Röhrchen ans Licht. Jetzt enthielt es reine RNA, so harmlos wie Wasser. Die kleinen Biester waren weg. Er stand auf, streckte sich und setzte sich an den Laptop, um eine Mail an das Labor in Tennessee zu schreiben. Vielleicht sollte er Shazia anrufen und sie nach der fehlenden Probe fragen.
    Ann ging ran. «Peter?»
    Im Hintergrund hörte er die Mädchen. Sie wollten etwas von Ann. Es klang dringend. Er dachte an Anns Worte. Die Inkubationszeit kam ungefähr hin. «Ist was mit den Mädchen?»
    «Nein, nein. Es ist alles in Ordnung. Bist du eben erst angekommen?»
    «Schon vor einer Weile. Ich wollte erst mal die Testreihe starten.»
    «Wie lange wirst du brauchen?»
    «Zum Essen bin ich wieder da.» Hoffte er wenigstens. Die Polymerase-Kettenreaktion dauerte vier Stunden. Erst dann würde er wissen, ob es Vogelgrippe war oder nicht.
    «Augenblick, Kate», hörte er Ann sagen. «Ich habe deinen Vater am Telefon.»
    «Ich habe überall gesucht.» Das war Kates Stimme. «Ich kann sie nicht finden.»
    «Guck mal in die Deckentruhe.» Eine Pause, dann war Ann wieder am Apparat. «Tut mir leid. Kate kann ihre Schneehose nicht finden.»
    So kalt war es doch draußen gar nicht. «Wozu braucht sie ihre Schneehose?»
    «Peter. Hast du’s noch nicht gesehen? Es schneit.»
    Er ging ans Fenster und sah hinaus. Vor den hell- und dunkelbraunen Gebäuden tanzten feine weiße Flocken.

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