Die Luft, die du atmest
Unten auf den Gehwegen liefen mehrere Leute, aber alle waren alleine unterwegs. Der Rasen war schon von Schnee bedeckt. Auf den Straßen wurde er zu Matsch. Der Himmel über ihm war eintönig grau, ohne einen einzigen Vogel. Komisch. Enten flogen ins Binnenland, wenn das Wetter schlecht wurde. Es sei denn, sie waren tot. Alle? Das wären Millionen. Das konnte nicht sein.
«Peter?»
«’tschuldigung. Ja, da kommt ordentlich was runter. Dann will ich mich mal sputen, damit ich nachher noch durchkomme.»
Maddie blickte auf, als Peter durch die Glastür in den Garten trat. Sie spießte einen Stock in einen Schneemann. Er blieb schief in seiner Seite hängen. «Dad!»
«Hey, Maddie, mein Mädchen.» Durch den dichten Vorhang aus Schnee sah er andere Familien in ihren Gärten spielen. Schaufeln kratzten, überall wurde gelacht.
Kate kniete vor einem großen Schneeball. «Hilfe.»
«Sag mir bloß nicht, das soll der Vaterschneemann werden.» Er stapfte durch den Schnee zu ihr hin. Wie schneidend kalt es draußen war. Seit Jahren hatten sie nicht so viel Schnee gehabt. Die meisten Stürme zogen nördlich oder südlich an ihnen vorbei, sodass es in Columbus nur grauen Himmel und Frost gab. «Nicht doch. Der muss viel größer werden und ordentlich breite Schultern bekommen. Wie euer echter Vater.»
Kate verdrehte die Augen, stemmte aber ihre Hände neben seinen gegen den Ball.
«Hau ruck», sagte Peter, und sie rollten ihn in langen schiefen Bahnen kreuz und quer über den Rasen bis zu Maddie.
Maddie hatte ihrem Schneemann ihre Strickmütze aufgesetzt und einen seiner alten Schals umgebunden. «Was können wir als Nase nehmen?»
«Möhren», sagte er.
«Das hat Mom verboten.»
Richtig. Das hatte er vergessen. «Na, ich bin sicher, wir werden was finden.»
Die Glastür ging auf. Ann trat hinaus, dick eingepackt in Daunenmantel, Hut und Schal.
Er grinste sie an. Wenn es schneite, zog sie sämtliche warmen Sachen übereinander, die sie besaß, als ob sie sonst sofort zu Eis gefrieren würde. «Hat man dir in Washington beigebracht, dich so einzumummeln?»
Sie kam mit schweren Schritten zu ihm. «Genau. Wo wir doch dreimal Schnee hatten, als ich Kind war.» Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete sie Peters bloßen Kopf und die leichten Halbschuhe an seinen Füßen. «Ich habe die hier gefunden», sagte sie, einen Beutel schüttelnd. «Die könntet ihr als Nasen nehmen.»
Maddie nahm ihr den Beutel ab. «Kastanien. Danke, Mom.»
Ann holte leuchtend gelbe Stoffblumen aus ihrer Manteltasche. Sie sprangen in ihrer Hand auf, unzerquetscht, obwohl es in der Tasche eng gewesen war. «Die habe ich in meiner Bastelkiste gefunden. Vielleicht könnten das Knöpfe werden oder so.»
Kate prustete verächtlich. «Schneehippies. Super.» Aber sie nahm die Stoffblumen und presste sie in einer langen Reihe von oben nach unten auf die Brust des dicken Schneemanns.
«Shazia!» Maddie richtete sich auf und winkte. «Shazia! Komm her und mach mit.»
Shazia trat vorsichtig über die Schwelle. Sie trug einen seiner abgelegten Mäntel und eine von seinen Schneehosen, mehrfach umgekrempelt. Ihre Wangen waren gerötet. «Ich habe noch nie so viel Schnee gesehen.»
«Meine Eltern sagen, in Washington schneit es auch wie verrückt», meinte Ann. «Es soll wunderschön sein.»
Ihre Stimme klang wehmütig.
Shazia sagte: «Ich bin mit deinen Notizen fertig, Peter.»
«Das ging ja schnell.»
«Sie hat nicht mal eine Mittagspause gemacht», sagte Ann. «Shazia, ich habe dir was stehenlassen.»
«Danke.»
«Hilfst du uns, eine Schneefestung zu bauen, Shazia?», fragte Maddie.
Shazia sah sich um. «Ich weiß gar nicht, wie das geht.»
«Kennst du denn Schneeengel?»
Shazia schüttelte den Kopf, dass ihre dunklen Haare vor- und zurückflogen.
Kate stemmte die Hände in die Hüften und sah sie an. «Bist du denn schon mal Schlitten gefahren?»
Shazias Miene verriet deutlich, dass ihr all diese Dinge fremd waren.
«Ja dann», sagte Peter, «werden wir wohl einen Ausflug in den Park machen müssen, damit Kate dir all ihre Kunststücke zeigen kann. Wie man Bäume rammt oder den ganzen Berg auf dem Hintern runterrutscht.»
«Sehr witzig, Daddy», sagte Kate.
«Ich weiß nicht», sagte Ann. «Da könnten heute viele Leute sein.»
Da hatte sie recht. Bei irgendjemandem musste Jodi sichschließlich angesteckt haben. Entweder bei Sue oder Al, die quer durch das Land gereist waren, oder bei jemandem hier aus der Umgebung. Auf jeden
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