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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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Tochter, legte die Wange auf ihr Haar, das von Shampooresten ein wenig steif war. Maddie hatte sich keinen einzigen Becher kaltes Wasser mehr über den Kopf gießen lassen wollen.
    «Bei Finn brannte Licht», sagte Peter. «Da habe ich ihn noch kurz besucht.»
    «Das kann doch nicht sein. Er hat dich einfach reingelassen?» Walter Finn war der Letzte, von dem Ann erwartet hätte, dass er Lust hatte, mit jemandem zu plaudern. Erst neulich hatte er doch schleunigst die Straßenseite gewechselt, um ihnen nicht zu begegnen. Moment. Wie nahe war Peter dem Mann gekommen? «Du hast doch hoffentlich eine Maske getragen, oder?»
    «Ja, und Handschuhe auch», murmelte Peter mit vollem Mund.
    Shazia sah sie fragend an. «Wer ist Finn?»
    «Unser Nachbar ein paar Häuser weiter», sagte Kate.
    «Er ist böse», sagte Maddie. «Er schenkt uns an Halloween nie Süßigkeiten. Und er brüllt immer gleich los, wenn man mal aus Versehen auf seinen Rasen tritt.»
    Peter wischte sich den Mund mit der Serviette ab. «Wie sich rausstellt, ist der Mann eine Art Überlebenskünstler. Ihr hättetsein Haus mal sehen müssen. Er hat Wasser, Batterien, sämtliche Lebensmittel, die man sich überhaupt vorstellen kann.»
    «Auch süße Sachen?» Maddie machte große Augen. «Und Traubengelee?»
    Ann lächelte in Maddies Haar hinein.
    «Wahrscheinlich», meinte Peter.
    «Der hat’s gut», seufzte Maddie.
    «Peter.» Shazia hielt den Kopf schräg. «Was hast du damit gemeint, als du gesagt hast, dass bei dem Mann Licht brannte?»
    Richtig, das hatte Peter gesagt. Ann sah ihn an.
    Peter hielt beim Essen inne, eine volle Gabel auf halbem Weg zum Mund. «Finn hat einen Generator.»
    Ann sog die Luft ein.
    Kate sah erst Peter, dann ihre Mutter an. «Na und?»
    «Das heißt, er hat Strom», sagte Shazia.
    «Moment», meinte Kate. «Dann hat er Fernsehen?»
    «Fernsehen?», kreischte Maddie. «Das ist ungerecht.»
    «Und wieso haben wir so was nicht?»
    «Zum einen, weil Generatoren teuer sind, Kate. Und zum andern sind sie ausverkauft.»
    Shazia fragte: «Hat er dich ins Internet gelassen?»
    Internet. Natürlich.
    «Nur deswegen durfte ich überhaupt reinkommen. Er wollte sich von mir zeigen lassen, dass wirklich an einem Impfstoff gearbeitet wird.» Er kaute und schluckte. «Es schmeckt wunderbar, Ann, ich könnte einen ganzen Bären fressen. Der Präsident hat den Kongress gebeten, weitere Mittel zur raschen Erforschung von Impfstoffen zu genehmigen. Und er hat eine nationale Datenbank anlegen lassen, in der alle Ausbrüche der Grippe registriert werden, damit Maßnahmen und Gelder entsprechend gelenkt werden können.»
    «Um zum Beispiel Lebensmittel abzuwerfen?», fragte Ann.
    Er hielt einen Augenblick lang ihren Blick. «Kann sein.»
    Also machte er sich auch Gedanken über ihre Vorräte.
    «Wie weit ist man mit dem Impfstoff?», fragte Shazia. «Und wie wollen sie die Benzinverteilung regeln?»
    «Auf beiden Gebieten wird international verhandelt. Irgendwo hieß es, der Präsident will die nationalen Reserven anbrechen, aber das wurde sonst nirgends bestätigt.» Peter hob die Gabel an den Mund und hielt inne. «Er holt die Soldaten nach Hause. Er sagt, sie werden hier dringender gebraucht.»
    «Dann ist der Krieg vorbei?», fragte Ann. «Und Mike kommt nach Hause?»
    «Onkel Mike?» Maddie klatschte in die Hände.
    Peter lächelte ihr zu, und zu Ann sagte er: «Vom Krieg ist nirgends mehr die Rede. Alles dreht sich nur noch um die Pandemie.»
    Da war es. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Er hatte es tatsächlich gesagt.
Pandemie
. Es war also wirklich so weit.
    «Hört mal zu», sagte Peter zu seinen beiden Töchtern. «Wisst ihr, was über den Schneesturm der letzten Tage gesagt wird? Sie nennen ihn einen Jahrhundertsturm. Er hat die gesamte Ostküste lahmgelegt. In Buffalo liegt der Schnee über eins achtzig hoch.»
    «Das ist viel, oder?», fragte Maddie.
    «Das ist unheimlich viel.» Ann schlang die Arme fester um ihre Tochter. Maddie schmiegte sich enger an sie und kuschelte ihren Kopf in Anns Schulterbeuge. Sie roch nach Holzrauch und Wachsstiften. «Das ist beinahe so hoch, wie Daddy groß ist.»
    Peter wandte sich Shazia zu. «Du wirst nicht glauben, was ich bei der WHO gelesen habe. In Australien gibt es einen Stamm der Aborigines, der gegen das Virus immun zu sein scheint.»
    Shazia blinzelte. «Das ist ja toll! Meinst du, das hat was mit den Zugvögeln dort zu tun?»
    In Australien gab es Unmengen von Zugvögeln, das wusste Ann.

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