Die Luft, die du atmest
niemanden außer seinem Hund.»
Alle hatten zu kämpfen. «Libby und Smith haben sich heute Nachmittag furchtbar gezankt.»
«Steht ihr Auto deswegen so schief an der Straße?»
«Es war schrecklich, Peter. Ich dachte wirklich, Libby wollte ihn überfahren.» So waren sie und Peter nie miteinander umgegangen. Sie hatten sich stattdessen in kaltes Schweigen zurückgezogen, was im Grunde kaum weniger hässlich war. «Kate hat alles mit angesehen.»
«Es wird für alle einfacher sein, wenn wir wieder Strom haben.»
Und damit Licht, Heizung, Fernsehen, das Internet, Handys – all ihre zuverlässigen Helfer. «Ich hab nebenan angerufen, aber da ist keiner rangegangen.»
«Vielleicht haben sie sich gerade versöhnt.»
«Haha.» Noch etwas, was ihr fremd war. Sie und Peter hatten nie miteinander geschlafen, um sich zu versöhnen. Es stand viel zu viel zwischen ihnen, als dass es den Versuch gelohnt hätte.
Peter schaute zu den drei am Küchentisch hinüber. «Ich werde nochmal losfahren, um zu sehen, ob irgendwo ein Laden offen ist. Auch wenn sie keinen Strom haben. Vielleicht laufen ja doch welche über Generatoren.»
«Wir brauchen Milch und Brot. Gemüse wäre ein Segen.» An frisches Obst mochte sie gar nicht denken. Beim Gedanken an eine Apfelsine oder eine Banane lief ihr sofort das Wasser im Mund zusammen. «Vielleicht gibt es Bekanntmachungen darüber, wer aufhat. Wir sollten Finn bitten, das für uns rauszufinden.»
«Das geht nicht. Das hab ich dir doch schon gesagt.»
«Wir könnten ihn wenigstens darum bitten.»
Er sah sie an und sagte leise: «Finn hat mich mit seinem Gewehr bedroht.»
«Was?»
«Ich war schon auf dem Weg nach draußen, als ich in seineKüche geguckt hab. Er wollte wohl nicht, dass ich seine Vorräte sehe.»
Nie hätte sie geglaubt, dass der Mann zu Gewalt fähig war. Aber war sie nicht gerade heute Nachmittag von Libby und Smith eines anderen belehrt worden? «Das ist doch kein Grund, eine Waffe auf jemanden zu richten.»
«Ich hatte keine Lust, ihm das zu erklären.»
«Das war vermutlich auch besser so.» Das war es also, womit er hinter dem Berg gehalten hatte. «Was für ein schrecklicher, selbstsüchtiger Mensch. Was schadet es ihm denn schon, wenn er dich ab und zu ins Netz lässt? Wenn er sich so verhält, wird ihm auch niemand helfen.»
Peter zuckte die Achseln und starrte in die Flammen. «Tja, wie man sich bettet, so liegt man.»
«Das hat dein Vater auch immer gesagt.» Sein Vater hatte für jede Lebenslage solche Sprüche parat gehabt. Sich mit ihm zu unterhalten war, als ob man in einem Buch mit alten Volksweisheiten blätterte.
Peter hielt den Blick abgewandt. «Ich werde mal noch Feuerholz reinholen.»
Anscheinend mochte er noch immer nicht über seinen Vater sprechen.
Er ging an die Hintertür und griff nach seiner Jacke. Ann wandte sich der schwarzen Nacht vor dem Fenster zu. Sie konnte nicht hinaussehen, aber irgendwo da draußen war Walter Finn. Er war vermutlich nicht der Einzige, der eine Schusswaffe hatte, vermutlich auch nicht der Einzige, der ein bisschen durchdrehte. Auch diese Lektion hatten sie nun zu lernen. Sie mussten sich um sehr viel mehr sorgen als nur um das Virus.
NEUNZEHN
Peter drehte am Knopf und drückte. Die Flamme ging an. Er stellte den Kessel auf den Rost.
Es war kalt hier draußen in der Morgendämmerung, so kalt, dass sein Atem kleine weiße Wolken bildete, die eine Weile in der Luft standen, bis sie sich auflösten. Drinnen war es kaum wärmer. Seine Ohren und seine Nase kribbelten. Es tat weh, die kalte Luft einzuatmen. Er zog die Schultern hoch, klemmte die Hände unter die Achseln und trat auf der Stelle. Er trug zwei Paar dicke Wollsocken und schwere Arbeitsstiefel, dennoch biss die Kälte in den Füßen. Ann überprüfte jeden Tag, ob die Mädchen Erfrierungen hatten.
Ein Motor heulte auf. Peter sah sich um. Dr. Singhs Geländewagen hatte sich wieder festgefahren. Das Getriebe knirschte, die Reifen drehten durch, dann fing sich das Fahrzeug und fuhr knirschend vorbei. Der Doktor hob die Hand und winkte zum Gruß.
Die Straße war von Furchen durchzogen und mit braunen Schneeklumpen übersät. Einige Nachbarn hatten vor ihren Häusern Wege freigeschaufelt. Bei anderen türmte sich der Schnee bis vor die Tür. In der Sonne hatten die Schneehaufen ein wenig weichere Formen angenommen, die in der Nacht wieder hart und fest geworden waren.
Die Birke hinten im Garten wirkte gesund und kräftig. Siewar in den letzten
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