Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
neidische Königin ertragen konnte. Und dass sie ihre Nichte ermordet hatte, die einzige Bedrohung für ihren Thron. Prinzessin Selene war erst drei Jahre alt gewesen, als in ihrem Kinderzimmer ein Feuer ausbrach, bei dem sie mitsamt ihrer Kinderfrau verbrannte.
Es gab allerdings Verschwörungstheoretiker, die daran glaubten, dass die Prinzessin noch am Leben war und auf den richtigen Moment wartete, ihre Krone zurückzuerobern und Levanas Tyrannei zu brechen. Cinder wusste, dass diese Gerüchte nur ein Produkt der Verzweiflung waren. Schließlich hatte man Spuren vom Körper des Kindes in der Asche gefunden.
»Hier.« Iko klopfte auf eine Metallplatte, die aus einem hohen Schrottberg herausragte. Cinder schrak auf und schob die düsteren Gedanken beiseite. Prinz Kai würde diese Hexe nie heiraten. Niemals würde er eine Lunarierin heiraten.
Cinder räumte ein paar verrostete Sprühdosen und eine alte Matratze aus dem Weg, bevor sie das Vorderteil des Hovers erkennen konnte. »Gutes Auge.«
Zusammen schafften sie so viel Schrott weg, dass sie die ganze Front des Fahrzeugs begutachten konnten. »So einen habe ich noch nie gesehen«, sagte Cinder und fuhr über die verrostete Plakette.
»Der ist aber scheußlich«, sagte Peony spöttisch. »Und was für eine grauenhafte Farbe!«
»Er muss sehr alt sein.« Cinder fand den Riegel und zog die Motorhaube hoch. Sie schreckte zurück, dann wagte sie einen zweiten Blick auf das Durcheinander aus Plastik und Metall. »Uralt.« Sie suchte den Magnetriemen, aber er musste unter dem Motor versteckt sein. »Leuchtest du mal hierhin?«
Cinder setzte sich in den Dreck, band die Haare nachlässig zum Pferdeschwanz zusammen und kroch unter den Hover.
»Himmel«, murmelte sie, als sie die Unterseite inspizierte. Ikos Lichtkegel drang von oben durch Kabel und Drähte, Röhren und Getriebe, Schläuche und Leitungen. »Dies Teil ist vielleicht antik!«
»Es steht ja auch auf dem Schrottplatz«, sagte Peony.
»Im Ernst. Ich habe so was noch nie gesehen.« Sie fuhr an einem Gummikabel entlang.
Der Lichtstrahl blitzte hier und dort auf, als Iko den Motor von oben ausleuchtete. »Irgendwelche nützlichen Ersatzteile?«
»Gute Frage.« Cinders Sichtfeld färbte sich blau, als sie die Verbindung zum Netz herstellte. »Könnt ihr mir mal die Identifizierungsnummer an der Windschutzscheibe vorlesen?« Sie suchte im Netz danach, während Peony sie ihr vorlas. Minuten später hatte sie die Montagezeichnung des Hovers heruntergeladen. Ihr Laserdisplay projizierte den Bauplan auf den Motor über ihr. »Scheint alles an seinem Platz zu sein«, murmelte sie und tastete ein Bündel Drähte mit den Fingerspitzen ab. Mit verdrehtem Kopf verfolgte sie den Verlauf von Schläuchen und Ketten ins Getriebe und versuchte zu verstehen, wie alles ineinandergriff. Wie es funktionierte.
»Absolut cool!«
»Mir ist langweilig«, sagte Peony.
Seufzend suchte Cinder den Montageplan nach dem Magnetriemen ab, aber in ihrem Sichtfeld leuchtete eine grüne Fehlermeldung auf. Dann versuchte sie es mit Magnet und endlich mit Riemen , und das brachte einen Treffer. Auf der Zeichnung wurde ein Gürtel aus Gummi markiert, der unter einer Abdeckung um mehrere Scheiben lief und Keilriemen genannt wurde. Stirnrunzelnd strich Cinder über die Schrauben am Motorblock.
Keilriemen wurden doch gar nicht mehr eingesetzt, seit es keine Verbrennungsmotoren mehr gab.
Sie schnappte nach Luft und verrenkte sich fast den Hals, als sie im Schatten unter dem Fahrzeug etwas Rundes entdeckte, das mit dem Gestänge darüber verbunden war. Ein Rad.
»Es ist kein Hover. Es ist ein Auto. Ein Benzinauto.«
»Im Ernst?«, fragte Peony. »Ich habe immer gedacht, Autos hätten irgendwie … ich weiß nicht … mehr Klasse gehabt.«
»Es hat Charakter«, brauste Cinder auf und prüfte das Profil des Reifens.
»Ja und«, meinte Iko, »heißt das jetzt, wir können gar nichts davon benutzen?«
Cinder ignorierte sie und untersuchte neugierig die Montagezeichnung. Ölwanne, Einspritzdüsen, das Auspuffrohr. »Es ist aus dem Zweiten Zeitalter.«
»Wahnsinn. Oder auch nicht.« Dann schrie Peony plötzlich auf und sprang vom Auto herunter.
Cinder schrak hoch und stieß mit dem Kopf gegen den Motorblock. »Peony, was ist los?«
»Eine Ratte! Da war eine Ratte! Eine fette, haarige Ratte! Igitt, igitt!«
Stöhnend ließ Cinder den Kopf in den Staub sinken und massierte sich die Stirn. Zwei Kopfverletzungen an einem Tag. Bei der Quote
Weitere Kostenlose Bücher