Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
gebrauchen.«
Iko senkte den Kopf und leuchtete unter die Motorhaube. Peony schnalzte mit der Zunge. »Wie tragisch. Aber vielleicht hat er ihn für einen Leberfleck gehalten?«
»Danke. Das macht es gleich viel besser.« Cinder kramte eine Zange aus der Tasche. Der Nachthimmel war klar. Die Stadt war so hell, dass keine Sterne zu sehen waren, aber die scharf geschnittene Halbmondsichel lauerte über dem Horizont, ein schläfriges Auge, das heimtückisch durch den Nebel schielte.
»Sieht er im richtigen Leben auch so gut aus wie auf den Netscreens?«
»Ja«, sagte Iko. »Sogar noch besser. Und er ist furchtbar groß.«
»Für dich ist jeder groß.« Peony lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Stoßstange. »Ich will Cinders Meinung hören.«
Cinder hörte auf, den Motor mit der Zange zu traktieren, als sie sich an sein offenes Lächeln erinnerte. Obwohl Prinz Kai schon seit langem ein Lieblingsthema von Peony war – sie war wahrscheinlich Mitglied in allen seinen Fangruppen im Netz –, hätte Cinder nie gedacht, dass sie ihre Begeisterung irgendwann teilen würde. Sie hatte Peonys Promi-Schwärmereien immer ziemlich albern gefunden, eher was für Zwölfjährige. Prinz Kai hier, Prinz Kai da. Hirngespinste.
Aber jetzt …
Cinders Gesichtsausdruck schien für sich zu sprechen, denn Peony kreischte auf, stürzte auf Cinder zu, umarmte sie und sprang mit ihr in die Luft. »Ich wusste es! Ich wusste, dass er dir gefallen hat! Ich kann immer noch nicht glauben, dass du ihn kennengelernt hast! Es ist nicht fair. Hab ich schon erwähnt, wie sehr ich dich hasse?«
»Ja, ich weiß«, sagte Cinder und befreite sich aus Peonys Armen. »Jetzt nerv mal wen anders. Ich versuche hier zu arbeiten.«
Peony machte ein langes Gesicht, zog ab und hüpfte zwischen den Schrotthaufen herum. »Was ist noch passiert? Du musst mir alles erzählen. Was hat er gesagt? Was hat er gemacht?«
»Nichts«, sagte Cinder. »Er hat mich nur gebeten, seine Androidin zu reparieren.« Sie entfernte die Spinnweben von dem Plastikgehäuse, das einmal der Solargenerator des Hovers gewesen war. Eine Staubwolke quoll ihr ins Gesicht, und sie wich hustend zurück. »Ratsche?«
Iko nahm die Ratsche vom Gehäuse und reichte sie Cinder.
»Was ist es denn für eine Androidin?«, fragte Peony.
Cinder zerrte den Generator ächzend aus dem Motorblock hervor und stellte ihn neben den Hover auf den Boden. »Eine alte.«
»Lehrdroidin 8.6«, sagte Iko. »Älter als ich. Er hat gesagt, er holt sie am nächsten Wochenende ab.«
Peony kickte eine verrostete Ölbüchse aus dem Weg, bevor sie sich über den Motor beugte. »In den Nachrichten haben sie gesagt, dass der Markt nächste Woche dichtgemacht wird. Wegen des Ausbruchs.«
»Oh, davon wusste ich noch gar nichts.« Cinder wischte die Hände an der Hose ab und konzentrierte sich auf den tiefer liegenden Teil des Motors. »Dann werden wir sie wohl im Palast abliefern müssen.«
»Ja!« Peony hüpfte auf der Stelle auf und ab. »Ich komme mit, dann kannst du mich vorstellen und … und …«
»Ah!« Cinder strahlte. »Der Magnetriemen.«
Peony wurde immer lauter. »Und dann erkennt er mich auf dem Ball wieder und ich tanze mit ihm – und Pearl ärgert sich tot!« Sie lachte, als sei es das Tollste im Leben, wenn man die größere Schwester ärgern konnte.
»Falls die Androidin vor dem Ball fertig wird.« Cinder wählte einen Schraubenschlüssel aus dem Werkzeuggürtel, den sie sich umgeschnallt hatte. Sie wollte Peony lieber nicht darüber aufklären, dass Prinz Kai wahrscheinlich nicht höchstpersönlich die Lieferungen für den Palast annahm.
Peony fuchtelte mit der Hand in der Luft herum. »Oder wann auch immer.«
»Ich will auf den Ball gehen«, sagte Iko mit traumverlorenem Blick. »Es beruht nur auf Vorurteilen, dass Androiden nicht teilnehmen dürfen.«
»Dann reich ein Gesuch an die Regierung ein. Peony wäre sicher gern bereit, dem Prinzen deinen Fall persönlich vorzutragen.« Cinder umklammerte Ikos kugelrunden Kopf und zwang sie, wieder unter die Haube zu leuchten. »Jetzt halt mal still. Ein Ende habe ich schon fast abmontiert.«
Cinder heftete den Schraubenschlüssel an Ikos Rumpf, dann zog sie den Magnetriemen aus der Klammer und ließ ihn auf den Boden scheppern. »Eine Seite ist geschafft, jetzt kommt die andere.« Sie ging gefolgt von Iko um den Hover herum und räumte einen Pfad durch den Abfall frei, damit Ikos Laufflächen nicht stecken blieben.
Peony folgte
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