Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
wäre Lügen ein neues Gesellschaftsspiel. »Wahrscheinlich nimmt er schon wieder irgendwem Blut ab.«
»Ge…nau«, sagte Cinder und zwang sich, den Mund zu schließen, der idiotisch offen gestanden hatte. »Ich habe ihn repariert. Jetzt ist er so gut wie neu.« Sie zog den Schraubenschlüssel aus der Hose und wirbelte ihn herum, als sei das ein Beweis.
Kai wirkte zwar etwas verwirrt, nickte aber, als sei die ganze Sache nicht wert, hinterfragt zu werden. Cinder war zwar dankbar, dass sich der Arzt so schnell eine Geschichte ausgedacht hatte, aber auch das irritierte sie. Welchen Grund hatte er, dem Kronprinzen Dinge zu verheimlichen, vor allem wenn er kurz vor einem Durchbruch in der Pestforschung stand? Hatte Kai es nicht verdient, darüber informiert zu werden? Sollte es nicht jeder wissen?
»Wahrscheinlich sind Sie noch nicht dazu gekommen, sich Nainsi anzusehen?«, fragte Kai.
Cinder hörte auf, den Schraubenschlüssel in der Luft herumzuwirbeln, und nahm ihn fest in beide Hände. »Nein, noch nicht. Es tut mir leid. Die letzten vierundzwanzig Stunden … waren einfach …«
Er zuckte die Achseln, aber die Geste wirkte etwas steif. »Wahrscheinlich stehen Ihre Kunden kilometerlang vor Ihrem Laden Schlange und ich sollte keine königliche Behandlung erwarten.« Er lächelte sie an. »Aber irgendwie tue ich es doch.«
Cinders Herz machte einen Sprung. Dieses plötzliche Lächeln war genauso charmant und unerwartet wie auf dem Markt. Dann geriet das Hologramm in ihr Blickfeld, das zeigte, wie sie funktionierte – von den Metallwirbeln über die Kabelbündel bis hin zu ihren absolut intakten Eierstöcken. Mit rasendem Puls sah sie wieder zu Kai.
»Ich verspreche, dass ich sie so schnell überprüfe, wie es geht. Auf jeden Fall noch vor dem Fest.«
Kai drehte sich um und folgte ihrem Blick zum Hologramm. Als er vor dem Bild zurückschreckte, drehte sich ihr der Magen um.
Ein Mädchen. Eine Maschine. Ein Monster.
Sie biss sich auf die Unterlippe und versuchte sich damit abzufinden, dass der Prinz ihr nie wieder eines dieser umwerfenden Lächeln schenken würde, da knipste Dr. Erland den Bildschirm mit dem Diagramm aus. »Ich bitte um Entschuldigung, Eure Hoheit, vertrauliche Patienteninformationen. Das war der Cyborg aus der heutigen Einberufung.«
Noch eine Lüge.
Cinder quetschte den Schraubenschlüssel in der Hand, zugleich dankbar und misstrauisch.
Kai überwand seine Überraschung. »Genau genommen bin ich deswegen hier. Ich möchte gerne wissen, ob Sie irgendwelche Fortschritte gemacht haben.«
»Zum jetzigen Zeitpunkt ist das schwer zu sagen, Eure Hoheit, aber wir könnten auf eine potenzielle Spur gestoßen sein. Ich halte Euch selbstverständlich über alle Entwicklungen auf dem Laufenden.« Er lächelte erst Kai, dann Cinder unschuldig an. Es war offensichtlich, dass er Kai nichts sagen würde.
Aber sie konnte einfach nicht verstehen warum.
Cinder räusperte sich und ging rückwärts auf die Tür zu. »Also, ich sollte jetzt mal gehen, damit Sie wieder zum Arbeiten kommen«, sagte sie und schlug sich mit dem Schraubenschlüssel auf die Handfläche. »Ich … äh … ich komme morgen wieder, um sicherzugehen, dass der Medidroide reibungslos funktioniert. In Ordnung?«
»Vollkommen«, sagte der Arzt. »Außerdem habe ich ja Ihre ID-Nummer, sollte ich Sie je ausfindig machen müssen.« Sein Lächeln wurde ein klein wenig schmaler, als wollte er ihr bedeuten, dass ihr »Freiwilligen«-Status nur so lange währte, wie sie freiwillig zurückkehrte. Schließlich war sie jetzt wertvoll. Er beabsichtigte nicht, sie für immer gehen zu lassen.
»Ich begleite Sie zur Tür«, sagte der Prinz und hielt sein Handgelenk vor den Scanner. Die Tür öffnete sich sofort.
Cinder hob die Hände, den Schraubenschlüssel hielt sie noch immer fest in den Handschuhen. »Nein, nein, das ist schon in Ordnung. Ich finde mich zurecht.«
»Sind Sie sicher? Es macht mir keine Mühe.«
»Ja, absolut. Bestimmt habt Ihr sehr wichtige … königliche … Regierungs- … Forschungsangelegenheiten zu regeln. Aber vielen Dank, Eure Hoheit.« Sie verbeugte sich ungelenk und war froh, dass dieses Mal wenigstens ihre beiden Füße fest angeschraubt waren.
»Na gut. Es hat mich gefreut, Sie wiederzusehen. Eine schöne Überraschung.«
Sie lachte und war erstaunt, als er ernst blieb. Sein Blick war warm und neugierig.
»Ich … mich auch.« Sie ging aus der Tür. Lächelnd. Zitternd. Betend, dass sie keine Flecken
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