Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
noch?«, fragte Kai und strich ihr die verstrubbelten Haare aus der Stirn. Seine Finger fühlten sich heiß auf ihrer Haut an, bis ihr klar wurde, dass sie diejenige war, die fieberte.
Was gar nicht sein konnte. Sie konnte doch weder rot werden noch Fieber bekommen.
Ihr konnte nicht zu heiß werden.
Was hatte der Arzt mit ihr angestellt?
»Hat sie sich den Kopf gestoßen?«, fragte Kai.
Das Zucken hörte auf. Instinktiv presste Cinder die Hände an sich, um sie zu verbergen.
»Oh, es geht ihr gut«, sagte Dr. Erland noch einmal. »Sie hat nur einen kleinen Schreck bekommen – das ist alles. Es tut mir leid. Ich habe nicht geahnt, dass Sie so empfindlich sind.«
»Was haben Sie getan?«, fragte sie. Sie achtete darauf, die Worte deutlich auszusprechen.
Kai legte den Arm um sie und half ihr, sich aufzusetzen. Sie lehnte sich an ihn und schob ihr Hosenbein herunter, damit er den Metallschimmer ihres Schienbeins nicht sehen konnte.
»Ich habe nur eine kleine Korrektur an ihrer Wirbelsäule vorgenommen.«
Cinder schielte zum Doktor hinüber. Das kleine orangefarbene Licht hätte gar nicht angehen müssen, so sicher war sie, dass er log.
»Was ist mit ihrer Wirbelsäule?« Kais Hand fuhr an ihrem Rücken herab.
Cinder schnappte nach Luft, ein Schauder jagte ihr über die Haut. Sie hatte Angst, dass der Schmerz zurückkommen könnte, dass die Berührung des Prinzen ihr System überlasten würde wie diejenige von Dr. Erland kurz zuvor – aber nichts geschah, außer dass Kais Berührung sanfter wurde.
»Nichts«, sagte Dr. Erland. »An den Wirbeln treffen einfach viele Nerven aufeinander, die Botschaften ans Gehirn schicken.«
Cinder sah Dr. Erland aufgeregt an. Sie konnte sich vorstellen, wie schnell Kai von ihr zurückweichen würde, wenn der Arzt ihm sagte, dass er gerade einen Cyborg stützte.
»Linh-mèi hat über lästige Nackenschmerzen geklagt.«
Sie ballte die Fäuste, bis ihre Finger schmerzten.
»Und da habe ich versucht, sie zu lindern. Man nennt es Chiropraktik, ein altes Verfahren und doch erstaunlich effektiv. Sie muss sich stärker verrenkt haben, als ich dachte, deswegen hat die plötzliche Begradigung der Wirbelsäule ihrem System einen Schock versetzt.« Er lächelte den Prinzen unbekümmert an. Das orangefarbene Licht blieb angeschaltet.
Cinder starrte den Arzt an. Wann würde er mit diesen hirnverbrannten Lügen aufhören und Kai all ihre Geheimnisse erzählen? Dass sie ein Cyborg war, immun gegen die Blaue Pest und seit neustem sein liebstes Versuchskaninchen?
Aber Dr. Erland sagte nichts mehr. Vielmehr sah er sie jetzt verschmitzt an, und das weckte ihr Misstrauen.
Cinder merkte, dass Kai sie betrachtete. Sie wollte schon mit den Achseln zucken, als ob Dr. Erlands Erklärung für sie auch nicht verständlicher sei als für ihn. Aber er sah sie so intensiv an, dass ihr die Worte fehlten.
»Hoffentlich sagt er die Wahrheit. Es wäre eine Schande, wenn Sie sterben würden, wo wir doch gerade erst das Vergnügen hatten, uns kennenzulernen.« Seine Augen blitzten, als hätte er einen geheimen Witz gemacht, und sie zwang sich zu dem künstlichsten Lachen, das ihr je über die Lippen gekommen war. »Geht es wieder?«, fragte er und nahm sie bei der Hand – der andere Arm lag noch immer auf ihrem Rücken. »Können Sie aufstehen?«
»Ich glaube schon.«
Er half ihr auf die Füße. Die unerträglichen Schmerzen waren verschwunden.
»Danke.« Sie machte einen Schritt zurück, klopfte sich die Kleider ab, obwohl der Laborboden absolut sauber war, und stieß sich den Oberschenkel am Untersuchungstisch.
»Was machen Sie eigentlich hier?«, fragte er und ließ die Hände einen Moment lang unbeholfen herabhängen, bevor er sie in die Taschen steckte.
Cinder öffnete den Mund, aber Dr. Erlands Räuspern kam ihr zuvor.
»Ach, Sie kennen sich?«, fragte er, wobei seine buschigen Augenbrauen fast unter der Mütze verschwanden.
»Wir haben uns gestern auf dem Markt kennengelernt«, antwortete Kai.
Mit der gleichen Geste wie Kai schob Cinder die Hände in die Taschen und fand dort den Schraubenschlüssel. »Ich bin hier ähm … weil … äh …«
»Ein Medidroide hat verrücktgespielt, Eure Hoheit«, unterbrach Dr. Erland sie. »Ich habe sie gebeten, einen Blick darauf zu werfen. Ihre Reparaturwerkstatt bekommt hervorragende Bewertungen.«
Kai nickte, dann sah er sich um. »Um welchen Medidroiden geht es denn?«
»Er ist jetzt nicht mehr da«, sagte Dr. Erland munter, als
Weitere Kostenlose Bücher