Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
ausgedrückt.« Sie warf einen Blick über die Schulter, aber Iko hatte sich in die Küche verzogen. »Dann verstehst du bestimmt auch, dass ich gerade einen halben Arbeitstag verloren habe und mir jetzt deinen Dienerdroiden 9.2 ausleihe, um die Zeit aufzuholen. Das macht dir doch nichts aus, oder?« Ohne die Antwort abzuwarten, stürmte sie in ihr Kabuff und schlug die Tür hinter sich zu.
Sie lehnte sich an die Tür, bis die Warnung auf ihrer Netzhaut verschwunden war und ihre Hände nicht mehr zitterten. Als sie die Augen öffnete, sah sie, dass sie den alten Netscreen, den Adri von der Wand gefegt hatte, auf den Deckenstapel geworfen hatten, der ihr als Bett diente. Ihr Kissen war voller Plastikscherben.
Sie hatte gar nicht bemerkt, ob Adri schon einen neuen gekauft hatte oder ob die Wohnzimmerwand noch leer gewesen war.
Seufzend zog sie neue Sachen an und war froh, den Klinikgeruch loszuwerden, der ihrer Kleidung noch anhaftete. Bevor sie ihr Zimmer verließ, verstaute sie die Bruchstücke aus Plastik in ihrem Werkzeugkasten und klemmte sich den Bildschirm unter den Arm. Iko hatte sich nicht bewegt, sie stand noch immer halb verdeckt hinter der Küchentür. Cinder deutete mit einer Kopfbewegung auf die Wohnungstür, und die Androidin folgte ihr.
Obwohl sie keinen Blick ins Wohnzimmer warf, meinte sie zu hören, wie Prinz Kai in Pearls Spiel röchelnd den letzten Atemzug tat.
Kaum waren sie im Flur – auf dem es ausnahmsweise einmal ziemlich leise war, weil die Nachbarskinder in der Schule waren –, da schlang Iko ihre schlaksigen Arme um Cinders Beine. »Ich kann’s nicht glauben! Ich war mir sicher, dass sie dich umbringen würden. Was ist passiert?«
Cinder reichte dem Roboter den Werkzeugkasten und ging zu den Aufzügen. »Ich erzähl’s dir später, lass uns erst mal arbeiten gehen.« Als sie allein im Keller waren, brachte sie Iko auf den neuesten Stand, wobei sie nur den Teil ausließ, in dem Prinz Kai hereingekommen war und sie ohnmächtig auf dem Boden vorgefunden hatte.
»Wie, heißt das, du musst wieder zurück?«, fragte Iko, als sie vor ihrem Lagerraum ankamen.
»Ja, aber das ist in Ordnung. Der Arzt hat gesagt, dass ich jetzt nicht mehr gefährdet bin. Außerdem bezahlen sie mich, ohne dass Adri etwas davon erfährt.«
»Wie viel?«
»Ich weiß nicht, aber ich glaube, ziemlich viel.«
Iko umklammerte Cinders Handgelenk, als sie den Kaninchendraht zu ihrem Lagerraum aufstieß. »Ist dir eigentlich klar, was das bedeutet?«
Cinder stellte einen Fuß in die Tür. »Was was bedeutet?«
»Das bedeutet, dass du dir ein schönes Kleid leisten kannst – ein schöneres als Pearl! Du kannst auf den Ball gehen, und Adri kann dich nicht daran hindern!«
Cinder machte ein Gesicht, als habe sie gerade auf eine Zitrone gebissen, und schüttelte Iko ab. »Meinst du wirklich, Iko?«, fragte sie und begutachtete das Durcheinander aus Werkzeugen und Ersatzteilen. »Glaubst du im Ernst, dass Adri mich jetzt gehen lässt, nur weil ich mir selbst ein Kleid kaufen kann? Wahrscheinlich würde sie es mir vom Leib reißen und versuchen, die Knöpfe zu verkaufen.«
»Na gut, dann erzählen wir ihr eben nichts von dem Kleid und dass du auf den Ball gehen willst. Du musst ja nicht mit ihnen hingehen. Du bist sowieso viel besser als sie. Du bist wertvoll.« Ikos Ventilator surrte wie verrückt, als könnte ihr Prozessor mit all diesen Neuigkeiten nicht mitkommen. »Immun gegen Letumose. Himmel, schon allein deswegen könntest du ein echter Promi werden!«
Cinder ignorierte sie und bückte sich, um den Netscreen gegen das Regal zu lehnen. Dabei sah sie einen Haufen aus zusammengeknülltem silbernem Stoff in der Ecke, der im dämmerigen Kellerlicht schwach schimmerte. »Was ist das?«
Ikos Ventilator fuhr zu einem langsamen Summen herunter. »Peonys Ballkleid. Ich … ich konnte es einfach nicht über mich bringen, es wegzuwerfen. Ich dachte, dass nie wieder jemand hier herunterkommt, weil du ja … Also habe ich mir überlegt, es zu behalten. Für mich.«
»Das war dumm, Iko. Es könnte infiziert sein.« Cinder zögerte nur kurz, bevor sie das Kleid an den perlenbesetzten Ärmeln hochnahm. Es war dreckig und zerknüllt, und es war durchaus möglich, dass es mit Letumose kontaminiert war, aber der Arzt hatte ja gesagt, dass die Krankheit nicht lange an Kleidern haften blieb.
Jetzt würde es sowieso niemand mehr tragen.
Sie legte die Robe über das Schweißgerät und wandte sich ab. »Wir geben das
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