Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
Verletzlichkeit in seinen braunen Augen bemerkte, brach ihre Verteidigungsmauer in sich zusammen. An Stelle von Zuversicht sah sie Sorge und Unsicherheit.
»Zweihunderttausend Mädchen«, sagte er. »Und was ist mit dir?«
Cyborg. Lunarierin. Mechanikerin. Sie war ganz sicher die Letzte, die er wollte.
Der Fahrstuhl war angekommen. »Es tut mir leid, aber glaub mir: Du willst bestimmt nicht mit mir hingehen.«
Die Türen öffneten sich, und ihre Anspannung ließ nach. Sie stürmte aus dem Aufzug und ignorierte das Grüppchen, das vor den Türen wartete.
»Komm mit mir zum Ball.«
Sie erstarrte und alle anderen mit ihr.
Cinder drehte sich um. Kai stand noch immer in Aufzug B und hinderte die Türen mit einer Hand am Schließen.
Das war zu viel für ihre Nerven. Alle Empfindungen der letzten Stunde ballten sich zu einem einzigen Gefühl zusammen – sie war verzweifelt. Im Flur standen Ärzte, Krankenschwestern, Androiden, Beamte und Techniker, die jetzt verlegen schwiegen. Sie starrten den Prinzen und das Mädchen in der ausgebeulten Cargohose an, mit dem er flirtete.
Er flirtete.
Sie richtete sich auf, ging wieder zum Aufzug und schubste Kai zur Seite. Dabei war es ihr vollkommen egal, dass sie das mit ihrer Metallhand tat. »Halt den Aufzug an«, sagte er zu dem Androiden, als die Türen sie einschlossen. Dann lächelte er. »Endlich schenkst du mir deine ungeteilte Aufmerksamkeit.«
»Hör zu«, sagte sie. »Es tut mir wirklich leid. Aber ich kann nicht mit dir zum Ball gehen. Glaub mir einfach, dass es so ist.«
Er starrte auf die behandschuhte Hand hinab, die gegen seine Brust drückte. Cinder zog sie zurück und verschränkte die Arme.
»Aber warum nicht? Warum willst du nicht mit mir hingehen?«
Sie wurde langsam wütend. »Es geht nicht darum, dass ich nicht mit dir hingehen will, sondern darum, dass ich gar nicht hingehe.«
»Also willst du doch mit mir hingehen.«
»Nein. Weil ich nicht gehen kann.«
»Aber ich brauche dich.«
»Du brauchst mich?«
»Ja. Verstehst du das denn nicht? Wenn ich die ganze Zeit mit dir zusammen bin, dann kann Königin Levana nicht versuchen, mich in eine Unterhaltung zu verwickeln oder …« Er schauderte. »Mit mir tanzen.«
Cinder taumelte zwei Schritte zurück. Königin Levana. Natürlich hatte das alles mit ihr zu tun. Was hatte Peony ihr noch mal erzählt? Es schien schon Jahre her zu sein. Es gingen Gerüchte von einem Heiratsbündnis zwischen den beiden um.
»Nicht, dass ich was gegen Tanzen hätte. Ich kann tanzen. Falls du möchtest.«
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. »Was?«
»Oder auch nicht, wenn du nicht möchtest. Oder wenn du es nicht kannst. Das ist nichts, was einem peinlich sein müsste.«
Sie rieb sich die Stirn. Sie hatte Kopfschmerzen, aber dann merkte sie, dass ihre Handschuhe dreckig waren, und ließ es sein. »Ich kann wirklich nicht kommen«, sagte sie. »Es ist nämlich so …« Ich habe kein Kleid. Adri wird es nicht erlauben. Und Königin Levana würde mich umbringen. »Es ist wegen meiner Schwester.«
»Deiner Schwester?«
Sie schluckte und musterte das glänzende Parkett aus Schwarzer Mangrove. Im Palast waren selbst die Aufzüge prächtig. »Ja. Meine kleine Schwester. Sie hat die Blaue Pest. Und ohne sie wäre es einfach nicht dasselbe, ich kann und werde nicht hingehen. Tut mir leid.« Es überraschte sie, dass die Worte sich sogar in ihren eigenen Ohren wahr anhörten. Sie fragte sich, ob ihr Lügendetektor aufgeleuchtet hätte, wenn er sie sehen könnte.
Kai lehnte sich an die Wand. Stirnfransen hingen ihm in die Augen. »Oh, das tut mir leid. Das wusste ich nicht.«
»Das konntest du ja auch nicht wissen.« Cinder wischte sich die Hände an den Beinen ab. Sie schwitzte in ihren Handschuhen. »Eigentlich gibt es etwas, was ich dir gerne erzählen würde. Wenn das in Ordnung ist.«
Neugierig neigte er den Kopf.
»Ich glaube nämlich, dass es ihr gefallen würde, wenn du etwas über sie weißt. Hm, also, sie heißt Peony, ist vierzehn und total verliebt in dich.«
Er hob die Augenbrauen.
»Ich habe nur gedacht, wenn sie durch irgendein verrücktes Wunder überlebt, könntest du sie vielleicht zum Tanzen auffordern.« Cinders Stimme krächzte, als sie das sagte, weil sie wusste, dass es keine verrückten Wunder gab. Aber sie musste ihn einfach fragen.
Kai nickte ihr zu. »Es wäre mir ein Vergnügen.«
Sie neigte den Kopf. »Ich lasse sie wissen, dass sie sich darauf freuen kann.« Aus dem Augenwinkel sah
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