Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
Transformatoren tanzen ließ. Sie war fasziniert, sah aber nicht richtig hin. Ihre Gedanken waren Tausende von Kilometern entfernt.
Die Erde. Der Asiatische Staatenbund. Neu-Peking und Kai, der jetzt mit Königin Levana verlobt war. Ihr drehte sich der Magen um, als sie an die Gehässigkeit dachte, mit der er von der Königin gesprochen hatte.
Sie versuchte sich vorzustellen, was er im Moment durchmachte. Aber hatte er eine Wahl gehabt? Sie wusste es nicht. Sie wollte glauben, dass alles – Krieg, Pest, Sklaverei – besser war, als Levana zur Kaiserin zu machen, aber sie wusste nicht, ob es stimmte. Hätte er nicht doch die Wahl gehabt, oder war seine Entscheidung von Anfang an unausweichlich gewesen?
Ihre Gedanken schweiften von der Erde nach Luna. Ein Planet, an den sie sich nicht erinnerte, eine Heimat, die sie nie kennengelernt hatte. Bestimmt feierte Königin Levana dort gerade ihren Sieg und verschwendete keinen Gedanken an all die Leben, die sie ausgelöscht hatte.
Königin Levana. Ihre Tante.
Der D- TELE -Chip klickte auf ihren Fingerspitzen.
»Cinder? Bist du da?«
Sie balancierte den Chip auf dem Knöchel des kleinen Fingers. »Klar, Iko, klar bin ich hier.«
»Kannst du vielleicht das nächste Mal, wenn wir auf der Erde sind, eine Steuerung für die Sensoren besorgen? Jetzt höre ich alles auf voller Lautstärke mit, als würde ich sie belauschen. Langsam wird es peinlich.«
»Peinlich?«
Die Betriebslampen wurden heller, als errötete Iko. Cinder fragte sich, ob sie das absichtlich machte.
»Irgendwie raspeln Scarlet und Wolf da in der Kombüse Süßholz«, sagte Iko. »Normalerweise mag ich so was ja, aber nicht, wenn es echte Leute sind. Die Serien im Netz gefallen mir besser.«
Cinder musste lächeln. »Ich werde dir was von der Erde mitbringen.« Sie spielte mit dem Chip, schnippte ihn hoch, ließ ihn klacken, schnippte ihn wieder hoch, ließ ihn über den nächsten Finger schnellen. »Wie geht es dir, Iko? Gewöhnst du dich langsam daran, Auto-Kontroll-System zu sein? Wird es allmählich leichter?«
Das Kontrollfeld des Computers summte. »Der erste Schock ist vorbei, aber irgendwie fühle ich mich wie eine Aufschneiderin. Als würde ich viel mächtiger tun, als ich bin. Und ich habe Angst, dass ich alle enttäuschen werde. Es ist so viel Verantwortung.« Am Boden flackerten die gelben Lichter auf. »Aber in Paris habe ich mich gut geschlagen, stimmt’s?«
»Du warst genial!«
Die Raumtemperatur zog an. »Tja, irgendwie schon …«
»Ohne dich wären wir jetzt alle tot.«
Ein hohes Piepsen erklang, das Cinder für nervöses Kichern hielt. »Vielleicht ist es auch gar nicht so schlecht, ein Raumschiff zu sein. Solange du mich brauchst …«
Cinder grinste. »Du bist wirklich … großartig.«
Ein Ventilator blieb fast stehen. »Sollte das ein Witz sein?«
Lachend versuchte Cinder, den Chip auf der Fingerkuppe kreiseln zu lassen. Nach ein paar Malen hatte sie den Dreh raus und sah dem funkelnden kleinen Kreisel zu.
»Und? Wie geht es dir?«, fragte Iko nach einer Weile. »Wie fühlt man sich denn so als richtige Prinzessin?«
Cinder runzelte die Brauen. Der Chip trudelte vom Finger; sie fing ihn gerade noch auf. »Bis jetzt macht es längst nicht so viel Spaß, wie man sich das allgemein so vorstellt. Was hast du eben gesagt? Dass du zu viel Macht und Verantwortung hast und fürchtest, du wirst alle enttäuschen? Das kommt mir reichlich vertraut vor.«
»Hab ich mir schon gedacht.«
»Bist du wütend, weil ich’s dir nicht eher gesagt habe?«
Die lange Pause machte Cinder nervös.
»Nein«, sagte Iko schließlich. Cinder wünschte sich, ihr Lügendetektor würde bei Androiden funktionieren – oder bei Raumschiffen. »Aber ich mache mir Sorgen. Früher habe ich gedacht, dass Königin Levana irgendwann die Lust verliert, nach uns zu suchen, und wir nach Hause – oder jedenfalls auf die Erde – zurückkönnen. Aber das können wir jetzt vergessen, stimmt’s?«
Cinder schluckte und schnippte den Chip über die Finger. »Ja, ich denke schon.«
Sie atmete aus und ließ den Chip ein letztes Mal kreiseln, bevor sie ihn mit der Faust umschloss.
»Nach der Hochzeit bringt sie Kai um, lässt sich zur Imperatorin krönen und regiert den Staatenbund. Und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie im Rest der Union einmarschiert.« Sie strich sich die Haare aus der Stirn. »Jedenfalls hat mir das Mädchen das gesagt. Die Programmiererin der Königin.«
Sie
Weitere Kostenlose Bücher