Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
zugab, war er doch attraktiv. Jedenfalls wenn man auf kantige, blauäugige Typen mit verteufelten Grübchen stand. Obwohl er einen Haarschnitt und eine Rasur gebrauchen konnte.
Sie atmete tief ein. »Ich habe dich zu etwas gezwungen und das war nicht richtig. Ich habe meine Macht missbraucht. Das tut mir leid.«
Er warf einen Blick auf ihre Metallhand und den Schraubenzieher, der aus einer Fingerkuppe hervorstach. »Bist du dasselbe Mädchen, das vorher hier war?«, fragte er mit einer erstaunlich klaren Stimme. Aus irgendeinem Grund hatte sie erwartet, dass er nach der Manipulation undeutlich sprechen würde.
»Selbstverständlich.«
»Oh.« Er runzelte die Stirn. »Eben hast du aber viel hübscher ausgesehen.«
Empört wollte Cinder ihre Entschuldigung zurückziehen, aber dann verschränkte sie nur die Arme. »Kadett Thorne, richtig?«
»Kapitän Thorne.«
»In deiner Akte steht, dass du Kadett warst, als du desertiert bist.«
Verblüfft zog er die Brauen zusammen, doch dann ging ihm ein Licht auf. Er fuchtelte mit seinem Zeigefinger vor Cinder herum. »Portscreen im Kopf?«
Sie biss sich innen auf die Wange.
»Wenn man es genau nimmt, schon«, sagte er. »Aber jetzt bin ich Kapitän. Ich mag den Klang. Und es macht mehr Eindruck bei den Mädchen.«
Ungerührt deutete Cinder auf den Wartungsraum hinter sich. »Du kannst mitkommen, wenn wir dein Schiff nehmen. Aber versuch wenigstens, nicht so viel zu reden.«
Er war schon aufgesprungen, bevor sie den Satz zu Ende gebracht hatte. »Es war mein unwiderstehlicher Charme, der dich dazu bewogen hat, stimmt’s?«
Sie seufzte, kletterte über das Urinal und verschwand in dem Loch in der Wand. »Dein Schiff, das ist doch das gestohlene, oder? Das der amerikanischen Armee gehört?«
»›Gestohlen‹ würde ich es nicht unbedingt nennen. Wer will denn beweisen, dass ich es nicht zurückgeben wollte?«
»Das hattest du nicht ernsthaft vor, oder?«
»Du hast aber auch keinen Beweis.«
Sie sah ihn von der Seite an. » Wolltest du es zurückgeben?«
»Vielleicht.«
Ein oranges Licht flackerte am Rande ihres Sichtfeldes auf – ihre Cyborg-Programmierung hatte eine Lüge entdeckt.
»Das hab ich mir gedacht«, murmelte sie. »Lässt sich das Schiff aufspüren?«
»Natürlich nicht. Ich habe die Geolokationsinstrumente schon vor Ewigkeiten ausgebaut.«
»Gut. Dabei fällt mir ein …« Sie hob die Hand, steckte den Schraubenzieher zurück und nach zwei Versuchen schnellte ein Skalpell hervor. »Wir müssen deinen ID -Chip entfernen.«
Er wich zurück.
»Du bist doch nicht etwa zimperlich?«
»Natürlich nicht«, sagte er beklommen und schob den linken Ärmel hoch. »Ich frag mich nur, ob … ist das Ding da steril?«
Cinder blickte ihn finster an.
»Ich meine ja nur … ich bin sicher, dass du sauber bist und so weiter, aber …« Er zögerte, dann hielt er ihr das Handgelenk hin. »Macht nichts. Aber schneide bloß keine Sehne durch.«
Cinder beugte sich über seinen Arm und setzte die Klinge so vorsichtig an, wie sie nur konnte. Unter dem Handgelenk verlief eine verblasste Narbe, wahrscheinlich von einem anderen ID -Chip, von einer anderen Flucht.
Seine Finger zuckten, als die Klinge eindrang, aber er stand still, als wäre er aus Stein. Sie zog den blutigen ID -Chip heraus, warf ihn achtlos auf eine Kabeltrommel und schnitt einen Streifen aus seinem Ärmel, damit er sich die Wunde verband.
»Ist das jetzt bloß mein Eindruck oder ist das wirklich ein bedeutender Moment in unserer Beziehung?«
Cinder hob spöttisch eine Augenbraue und deutete auf ein Gitter oben an der Decke, aus dem sich Kabel herauswanden, die in einem Dutzend Wandlöchern verschwanden. »Kannst du mich da hochhieven?«
»Was ist das denn?«, fragte Thorne, der schon eine Räuberleiter machte.
»Ventilationsrohre.« Cinder kletterte auf seine Hände und ignorierte sein Ächzen, als er sie hochstemmte. Sie hatte damit gerechnet, denn wegen ihres Metallbeins war sie schwerer, als man glaubte.
Den Gitterrost herauszuhebeln war eine Sache von Sekunden. Sie setzte ihn leise auf den Sanitärrohren ab, die oben am Schacht entlangliefen, und kletterte ohne zu zögern in die Öffnung.
Dann rief sie den Grundriss des Gefängnisses auf, um die richtige Richtung herauszufinden, während sie auf Thorne wartete. Cinder drehte ihre eingebaute Taschenlampe auf und robbte los.
Es war heiß und sie kam nur mühsam voran; ihr Bein schrappte alle paar Zentimeter am Aluminium entlang.
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