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Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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schloss die Augen und vergegenwärtigte sich, wo die Kamera angebracht war, bevor sie an der Decke entlangtastete. Die Kamera war weiter entfernt, als es ihr auf den ersten kurzen Blick vorgekommen war – aber dann hatte sie sie, griff nach der Linse und drückte sie zusammen. Mit der Titanhand zerquetschte sie das Plastikgehäuse mühelos wie eine Pflaume. Das befriedigende Knirschen kam ihr ohrenbetäubend laut vor.
    Erleichtert hörte sie, dass die Arbeit und die Gespräche unten weitergingen.
    Ihre Zeit war um. Es würde jetzt keine Minute mehr dauern, bis jemand bemerkte, dass eine Kamera beschädigt war.
    Sie nickte Thorne zu, schob sich über die Öffnung und ließ sich auf das Dach des Lieferschiffs fallen, das unter ihr erzitterte. Thorne landete mit einem unterdrückten Ächzen neben ihr.
    Das Gespräch verstummte.
    Cinder wirbelte herum, als die drei Gestalten aus der Lieferbucht herauskamen, sie auf dem Dach des Schiffs mit großen Augen anstarrten – und die weiße Sträflingskleidung und die Cyborg-Hand registrierten.
    Einer der Männer griff nach seinem Portscreen im Gürtel.
    Cinder streckte den Arm aus. Sie überlegte, was ihn jetzt davon abhalten könnte, den Port in die Hand zu nehmen und Alarm auszulösen. Sie stellte sich vor, wie er mitten in der Bewegung innehielt.
    Ganz nach Wunsch blieb seine Hand in der Luft hängen.
    In seinen Augen stand die schiere Angst.
    »Nicht bewegen«, sagte Cinder mit zusammengeschnürter Kehle. Sie war mindestens so erschrocken wie die drei Leute, die sie entgeistert ansahen.
    Das Brennen setzte wieder ein; vom Nacken lief es ihr das Rückgrat hinab und über die Schultern in die Arme hinein. Als Wärme auf die Prothesen stieß, empfand sie ein leichtes Stechen. Aber es war nicht mehr schmerzhaft oder überwältigend wie die ersten Male, nachdem Dr. Erland ihre Gabe entfesselt hatte. Eher tröstend – fast sogar angenehm.
    Sie spürte, wie die knisternden Wellen der Bioelektrizität die drei Menschen auf der Plattform umspülten und zu willigen Opfern ihrer Manipulation machten.
    Dreht euch um.
    Wie gleichgeschaltet kehrten sie ihnen mit steifen, unbeholfenen Bewegungen den Rücken zu.
    Schließt die Augen. Haltet euch die Ohren zu. Zögernd kam ihr letzter Befehl: Summt.
    Augenblicklich erfüllte das Summen von drei Menschen die Luft in dem zwischenzeitlich verstummten Laderaum. Cinder hoffte, es wäre laut genug, damit sie das Knirschen des Gullys auf dem Zementboden nicht bemerkten und annahmen, Thorne und sie wären durch den Lieferausgang geflohen oder hätten sich an Bord eines Schiffs geschmuggelt.
    Thorne gaffte die drei Gestalten mit offenem Mund an. »Was ist denn mit denen los?«
    »Sie gehorchen mir«, sagte sie mit belegter Stimme. Hasste sich für die Befehle. Hasste das Summen. Hasste diese Gabe, die so unnatürlich, so gemein und so mächtig war.
    Aber die Manipulation abzubrechen, kam ihr nicht in den Sinn.
    »Komm schon«, sagte sie und glitt vom Schiff hinab. Dann kroch sie darunter und stieß zwischen den Reifen auf den Gully. Mit zitternden Händen lockerte sie die Abdeckung um eine Viertel Umdrehung und zog sie hoch.
    In der Dunkelheit darunter glitzerte Wasser.
    Der Sprung war nicht tief, aber als sie mit den bloßen Füßen im flachen, öligen Wasser landete, wurde ihr übel. Eine Sekunde später war Thorne neben ihr und setzte den Gullydeckel über ihren Köpfen wieder ein.
    Ein Zementrohr, das nach verschimmelten Abfällen stank, war etwa auf der Höhe von Cinders Bauchnabel in die Wand eingelassen. Mit gerümpfter Nase ging Cinder in die Hocke und kroch hinein.

7
    Mit jeder Stunde vermehrten sich die Icons auf Imperator Kais Bildschirm, nicht nur weil er so viel zu unterzeichnen hatte, sondern auch weil er sich keine besonders große Mühe gab, seiner Arbeit nachzukommen. Er raufte sich die Haare und beobachtete mit wachsendem Entsetzen, was sich auf dem herausgefahrenen Bildschirm seines Schreibtischs tat.
    Er hätte schlafen sollen, hatte das aber aufgegeben, nachdem er stundenlang die Schatten über seinem Bett angestarrt hatte, und war hierhergekommen, um etwas Produktives zu tun. Er brauchte unbedingt Ablenkung. Welcher Art sie auch immer sein mochte.
    Alles, was das Gedankenkarussell in seinem Kopf anhielt.
    Jedenfalls war das der Plan gewesen.
    Kai seufzte und sah sich im Arbeitszimmer seines Vaters um. Zum Arbeiten kam es ihm viel zu extravagant vor. Von der rot-goldenen Decke hingen drei mit Quasten geschmückte und von

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