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Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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blieb jetzt keine Zeit – und vertiefte sich wieder in den Grundriss der Kanalisation in ihrem Kopf. Auch wenn sie sich bei dem Gedanken an eine Kakerlake, die unter ihrem T-Shirt krabbelte, ebenfalls schütteln musste, fand sie das immer noch besser, als mit einem bloßen Fuß in knöcheltiefem Abwasserschlamm herumzulaufen. Und sie jammerte schließlich auch nicht.
    Kurz hinter dem Einstieg hörte Cinder ein lauter werdendes Plätschern. »Jetzt sind wir fast an der Hauptader.« Noch war sie darauf aus, so schnell wie möglich dort anzukommen. Der Tunnel war beklemmend eng, es war heiß wie auf dem Mars und ihre Oberschenkel brannten vom gebückten Laufen. Aber dann schlug ihr ein absolut widerwärtiger Gestank entgegen.
    Gleich müssten sie sich nicht mehr nur durch eine knöcheltiefe Kloake vorankämpfen.
    »Oh, Mann!«, ächzte Thorne. »Bitte sag mir, dass es nicht das ist, wofür ich es halte!«
    Cinder rümpfte die Nase und atmete flach.
    Als sie auf einer Zementmauer standen, vor sich die Hauptader der Kanalisation, war der Gestank fast unerträglich.
    Mit der eingebauten Taschenlampe suchte Cinder den Tunnel unter ihnen ab und ließ den Lichtkegel an den schleimigen Wänden auf- und ablaufen. Wenigstens war dieser Tunnel zum Stehen hoch genug. Der Lichtstrahl blieb auf der anderen Seite an einem stabilen Metallgitter hängen, das mit Rattenkötteln verkrustet war. Zwischen ihnen und dem Gitter schäumte ein mindestens zwei Meter breiter Fluss aus Abwässern.
    Der Gestank der Kloake verpestete einfach alles und sie kämpfte gegen eine immer stärker werdende Übelkeit.
    »Bist du bereit?«, fragte sie über die Schulter und machte ein paar Schritte auf den Hauptkanal zu.
    »Halt, was hast du vor?«
    »Wonach sieht es denn aus?«
    Thorne sah sie ungläubig an, dann warf er einen Blick in den Tunnel, den er im Halbdunkel nur erahnen konnte. »Hast du in deiner Superhand denn kein Werkzeug, mit dem wir da oben rüberkommen?«
    Cinder war schwindelig, weil sie instinktiv so wenig Sauerstoff einatmete wie möglich. »Stimmt, wie konnte ich nur meinen Enterhaken vergessen!«
    Sie holte noch einmal Luft und ließ sich in die widerwärtige gammelige Brühe hinabgleiten. Irgendetwas glitschte zwischen ihren Zehen hindurch. Die Strömung zog ihr fast die Beine weg, als sie durch das kniehohe Abwasser watete. Sie unterdrückte den Würgereflex, schüttelte sich und durchquerte den Fluss, so schnell sie konnte. Das Gewicht ihres Metallbeins verlieh ihr eine gewisse Bodenhaftung und dann hatte sie das andere Ufer erreicht, hangelte sich an dem Gitter hoch und drückte sich gegen die Tunnelwand. Sie sah sich nach dem angeblichen Kapitän um.
    Der starrte mit unverhohlener Abscheu auf ihre Beine.
    Cinder sah an sich herab. Der gestärkte weiße Overall war jetzt von einem grünlichen Braun und klebte ihr klatschnass an den Beinen.
    »Hallo?«, schrie sie und blendete Thorne mit der Taschenlampe. »Entweder kommst du jetzt hier rüber oder du gehst zurück und sitzt den Rest deiner Strafe friedlich ab. Entscheide dich. Und zwar schnell.«
    Fluchend stakste Thorne mit erhobenen Armen Zentimeter um Zentimeter durch die verschlickte Brühe. Mit vor Ekel verzogenem Gesicht schob er sich unendlich vorsichtig zum Gitter hinüber und kletterte zu Cinder hoch.
    »Das ist die Strafe, weil ich so einen Aufstand wegen der Seife gemacht habe«, murmelte er, wobei er sich nah an der Wand hielt.
    Das Gitter bohrte sich in Cinders bloßen Fuß, so dass sie ihr Gewicht auf die Prothese verlagerte.
    »Und, Kadett, in welche Richtung geht’s?«
    »Kapitän.« Er spähte mit großen Augen in beide Richtungen, aber abgesehen von einem schwachen Lichtstrahl, der durch einen Gullydeckel in der Nähe fiel, lag der Abwasserkanal im Dunklen. Cinder drehte die Taschenlampe auf und ließ den Lichtkegel über die schäumende Kloake und die tropfenden Wände tanzen.
    »Ich hab es in der Nähe vom alten Beihai-Park zurückgelassen«, sagte Thorne und kratzte sich das bärtige Kinn. »In welcher Richtung liegt der?«
    Cinder nickte und wandte sich nach Süden.
    Nach ihrer inneren Uhr waren sie erst seit zwölf Minuten in der Kanalisation unterwegs, aber ihr kam es wie Stunden vor. Das Metallgitter drückte sich bei jedem Schritt in ihre Sohle. Die Hose pappte ihr an den Waden und der Schweiß lief ihr den Rücken hinunter. Manchmal hielt sie das Kitzeln für eine Spinne, die unter ihren Overall gekrochen sein musste. Sie hatte Schuldgefühle, weil sie

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