Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
letzten Sekunde sehen zu können. Adri hielt in der Tür inne. Verbeugte sich erneut. »Es war mir eine Ehre, Eure Majestät.«
Er lächelte gezwungen.
»Ich wüsste allerdings gerne, ob ich mit einer Belohnung für meine Hilfe rechnen kann, sollte mein Hinweis zu neuen Ermittlungsergebnissen führen. Nicht, dass es die geringste Rolle spielt, nur aus reiner Neugier.«
29
Scarlets Gefängniszelle war früher eine Künstlergarderobe gewesen. Sie konnte noch gut erkennen, wo die Spiegel gewesen waren, um die sich Glühbirnen wie Perlenketten gewunden hatten. Jetzt waren nur noch die Fassungen übrig. Sie hatten den Teppich weggerollt, unter dem der kalte Steinboden lag. Die solide Eichentür war aus den Angeln gehoben worden und stand in einer Ecke. Der Eingang war durch ein Eisengitter mit einem auf ID -Chips programmierten Schloss versperrt.
Vor lauter Wut war Scarlet die ganze Nacht und den größten Teil des Tages in der Zelle auf und ab gelaufen, hatte gegen die Wände getreten und an dem Gitter gerüttelt. Ihr Gefängnis lag im Keller des Opernhauses und deswegen waren die beiden Mahlzeiten, die man ihr gebracht hatte, ihre einzigen Hinweise auf die Tageszeit. Als sie den »Soldaten«, der ihr das Tablett gebracht hatte, gefragt hatte, wie lange man sie festhalten würde und wann sie ihre Großmutter sehen könnte, hatte er ihr nicht geantwortet. Er hatte sie nur so widerlich durch die Stäbe angegrinst, dass sich ihr die Haare im Nacken aufstellten.
Schließlich war sie völlig erschöpft auf der dreckigen Matratze zusammengebrochen und hatte an die Decke gestarrt. Voller Selbsthass, voller Hass auf diese Männer, die sie gefangen genommen hatten, und auf Wolf.
Sie knirschte mit den Zähnen und rupfte Löcher in die durchgelegene Matratze.
Alpha Kesley.
Wenn sie ihn je wiedersah, würde sie ihm die Augen auskratzen. Ihn würgen, bis seine Lippen sich blau verfärbten. Sie würde …
»Erschöpft?«
Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Einer der beiden Männer, die sie hierhergebracht hatten – Rafe oder Troya –, stand vor ihrer Zelle.
»Ich habe keinen Hunger«, fuhr sie ihn an.
Er verzog sein Gesicht zu diesem humorlosen, höhnischen Lächeln, das sie schon kannte. »Ich bringe kein Essen«, sagte er, zog das Handgelenk über den Scanner und stemmte die Tür auf. »Ich bringe dich zu deiner heiß geliebten Großmutter.«
Scarlet sprang von der Matratze auf. Die Erschöpfung war wie weggeblasen. »Wirklich?«
»So lautet mein Befehl. Muss ich dich fesseln oder kommst du freiwillig mit?«
»Ich komme. Los, auf geht’s.«
Er musterte sie, schien zu dem Schluss zu kommen, dass sie keine Gefahr darstellte, und deutete auf den langen, halbdunklen Flur. »Nach dir.«
Sowie sie über die Schwelle getreten war, packte er sie am Handgelenk und blies ihr seinen heißen Atem in den Nacken. »Eine falsche Bewegung und die alte Schabracke badet es aus, verstanden?«
Sie schauderte.
Ohne auf ihre Antwort zu warten, gab er ihr einen Schubs zwischen die Schulterblätter und drängte sie vorwärts.
Ihr Herz raste. Sie war so erschöpft und begierig, ihre Großmutter zu sehen, dass sie nur noch halb bei Sinnen war, aber das hielt sie nicht davon ab, ihr Gefängnis auszukundschaften. Von diesem Kellergang ging ein halbes Dutzend verbarrikadierte Türen ab. Der Mann lenkte sie um eine Ecke, einen engen Treppenschacht hinauf und durch eine Tür.
Sie befanden sich hinter den Kulissen. Verstaubte Requisiten hingen von der Decke und schwarze Samtvorhänge bewegten sich gespenstisch in der Dunkelheit. Die Leuchtschienen an den Zuschauerreihen waren die einzige Lichtquelle. Im Parkett fehlten mehrere Sitzreihen, nur die Verankerungen im abschüssigen Boden waren zurückgeblieben. Im Schatten eines Balkons unterhielt sich eine Gruppe von Soldaten, bis sie von Scarlet und ihrem Wärter unterbrochen wurden. Scarlet sah krampfhaft an ihnen vorbei; sie glaubte zwar nicht, dass Wolf unter ihnen war, aber sie hatte auch keine Lust festzustellen, dass sie sich täuschte.
Am Ende des Zuschauerraums öffnete Scarlet eine der großen Türen.
Nun waren sie oben an der Prunktreppe und konnten in das Foyer hinunterblicken. Kein Sonnenlicht fiel durch das Oberlicht – sie war also tatsächlich schon einen ganzen Tag hier.
Der Wärter packte sie am Ellenbogen und zog sie von der großen Treppe weg, vorbei an den gespensterhaften Statuen von Cherubim und Engeln. Sie riss sich los, prägte sich den Weg ein und versuchte,
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