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Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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beantworten. Wenn sie nicht jedes Mal als »Königliche Androidin Nainsi« angekündigt worden wäre, bevor sich die Türen öffneten, hätte er sie für ein menschliches Wesen gehalten.
    Er fragte sich, ob sein Vater dasselbe für seine Androiden empfunden hatte. Aber vielleicht konnte er einfach keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    Die nutzlosen Gedanken verscheuchend ging er um den Schreibtisch herum und sagte in den Lautsprecher: »Herein.«
    Die Tür öffnete sich und Nainsi rollte über den Teppich auf ihn zu. Diesmal trug sie kein Tablett mit Erfrischungen.
    »Eure Majestät, eine Frau namens Linh Adri und ihre Tochter, Linh Pearl, ersuchen um eine sofortige Audienz. Linh-jie behauptet, uns wichtige Hinweise zur Entflohenen geben zu können. Ich habe sie aufgefordert, den Vorsitzenden Huy aufzusuchen, aber sie besteht darauf, mit Euch zu sprechen. Ihre ID weist sie als diejenige aus, die sie zu sein vorgibt. Soll ich sie abweisen?«
    »Nein, vielen Dank, Nainsi, bitte schick sie herein.«
    Die Androidin rollte hinaus. Kai sah an seinem zerknitterten Hemd hinab und knöpfte es bis zum Kragen zu.
    Einen Augenblick später standen die beiden in seinem Arbeitszimmer. Eine ergrauende Frau mittleren Alters und ein junges Mädchen mit langen glatten Haaren. Mit gerunzelter Stirn betrachtete Kai, wie sie die Köpfe beugten. Erst als das Mädchen scheu lächelte, fiel ihm ein, wen Nainsi da angekündigt hatte, und er ärgerte sich über seine Begriffsstutzigkeit: Linh Adri. Linh Pearl.
    Sie waren ihm nicht unbekannt. Das Mädchen hatte er schon zweimal gesehen, an Cinders Marktstand und beim Ball. Sie war Cinders Stiefschwester.
    Und die Frau. Ja, die Frau.
    Er wurde wütend, als er an die Begegnung mit ihr dachte, und der mädchenhaft verschämte Blick, mit dem sie ihn jetzt scheu von unten ansah, machte es auch nicht besser. Ihr war er auch auf dem Ball begegnet. Da hatte sie Cinder gerade eine Ohrfeige geben wollen, weil diese sich auf den Ball getraut hatte.
    »Eure Majestät«, sagte Nainsi hinter ihnen. »Linh Adri-jie und ihre Tochter, Linh Pearl-mèi.«
    Sie verneigten sich erneut.
    »Hallo«, sagte Kai, »Sie sind …«
    »Ich war der gesetzliche Vormund von Linh Cinder«, unterbrach Adri ihn. »Bitte vergebt die Störung, Eure Kaiserliche Majestät. Ihr müsst schrecklich beschäftigt sein.«
    Er räusperte sich. Hätte er das Hemd doch nicht bis zum letzten Knopf geschlossen, jetzt drohte er fast zu ersticken. »Bitte nehmen Sie doch Platz«, sagte er und deutete auf die Sitzgruppe vor einem holografischen Feuer. »Das wäre dann alles, vielen Dank, Nainsi.«
    Kai beanspruchte den Sessel für sich, um sich bloß nicht neben einer von den beiden niederlassen zu müssen. Sie saßen kerzengerade auf der Sofakante, um die rechteckigen, dick wattierten Obi-Gürtel ihrer Seidenkimonos nicht zu zerknittern, und hielten die Hände sittsam im Schoß gefaltet. Sie sahen sich verblüffend ähnlich – und erinnerten ihn überhaupt nicht an Cinder mit ihrem sonnengebräunten Teint, den glatten, feinen Haaren und ihrer zuversichtlichen Ausstrahlung, die sie selbst dann noch gehabt hatte, wenn sie mal ins Stammeln gekommen war.
    Kai riss sich zusammen, bevor er bei der Erinnerung an eine schüchtern stammelnde Cinder noch zu lächeln begann.
    »Man hat uns einander nicht vorgestellt, als wir uns auf dem Ball begegnet sind, Linh-jie.«
    »Oh, Eure Kaiserliche Majestät sind zu freundlich. Bitte nennt mich Adri. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich distanziere mich von dem Mündel, das den Nachnamen meines verstorbenen Ehemanns trägt. Doch Ihr erinnert Euch gewiss an meine liebreizende Tochter.«
    Er sah Pearl an. »Ja, Sie waren auf dem Markt und wollten, dass Cinder auf Ihre Einkäufe aufpasste.«
    Er freute sich, dass das Mädchen rot wurde. Hoffentlich erinnerte sie sich daran, wie gemein sie an dem Tag zu Cinder gewesen war.
    »Wir haben uns auch auf dem Ball getroffen, Eure Majestät«, sagte Pearl. »Wir haben über meine arme Schwester gesprochen – meine wirkliche Schwester –, die vor kurzem der Krankheit zum Opfer gefallen ist wie Euer erlauchter Vater.«
    »Ja, das weiß ich noch. Mein Beileid.«
    Er wartete vergeblich auf die Beileidsbezeugung der beiden. Die Mutter war zu sehr damit beschäftigt, sich die kunstvoll lackierten Vertäfelungen anzusehen, und die Tochter betrachtete Kai mit vorgetäuschter Scheu.
    Er trommelte auf die Armlehne. »Meine Androidin sagte mir, Sie hätten Hinweise von

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