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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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Vergnügen hätte sie ihn angebrüllt und beschimpft, ihm gesagt, was für ein verdammter Idiot er doch war. Aber da war auch die Hoffnung auf einen letzten Ausweg, die Hoffnung, dass ihre Beziehung doch noch eine Chance hatte. Die letzte Hoffnung darauf, dass sich ihr Traum doch noch erfüllen könnte. Noch immer stand Jack mit gesenktem Kopf vor ihr.
    »Ich weiß, dass du wütend auf mich bist, und du hast sicher auch allen Grund dazu, es zu sein. Aber bitte, gib mir noch eine Chance«, flehte er.
    Obwohl sie sich im Grunde ihres Herzens schon dafür entschieden hatte, wollte sie es ihm nicht ganz so leicht machen. Diesen kleinen Triumph wollte sie auskosten. Also genoss sie den Augenblick, in dem er sie so reumütig mit seinen warmen blauen Augen ansah.
    »Bitte«, bohrte er weiter, »wenn ich jetzt noch einen Kopfstand machen muss, dann mache ich es, aber bitte lass mich rein.« Nie hätte er sich vorstellen können, sich selbst jemals vor einer Frau so zu demütigen. Wo war sein Stolz? Schließlich schob sie die Sicherheitskette ihrer Tür beiseite.
    »Aber nur ein paar Minuten«, sagte sie, während ein Lächeln über ihre Lippen huschte. »Und du musst mir eines versprechen: Die Einzige, die jetzt etwas sagen wird, bin ich. Du wirst einfach nur zuhören.«
    »Einverstanden«, erklärte er hoffnungsvoll und sah sie mit diesem Hundeblick an, den auch Arthur zuweilen zeigte, wenn er etwas ausgefressen hatte und wusste, dass sie ihn dabei ertappt hatte.
    »Wie du dir sicher vorstellen kannst, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken«, begann Lea schließlich.
    Jack bemühte sich, sich zurückzunehmen, sie nicht zu küssen und auch nichts zu entgegen – was ihm sichtlich schwerfiel.
    Sie setzten sich an ihren Küchentisch, und die Profilerin holte tief Luft. Es dauerte einen Augenblick, bis sie die richtigen Worte fand. Aber dann fiel es ihr plötzlich ganz leicht.
    »Eigentlich wollte ich mich an jenem Abend nur bei dir entschuldigen. Es tut mir so leid, dass ich überhaupt in Erwägung gezogen habe, dass du etwas damit zu tun haben könntest.«
    »Ist schon gut«, sagte Jack mit beruhigender, leiser Stimme. Am liebsten hätte er sie auf der Stelle umarmt, aber er widerstand diesem Impuls.
    Lea fiel ein Stein vom Herzen, hatte sie doch geglaubt, dass er ihr das nie würde verzeihen können. Dann fuhr sie fort: Lange habe sie gebraucht, um zu erkennen, dass Sex und Leidenschaft nicht das Wichtigste in einer Beziehung seien. Da sei noch mehr, was eine Partnerschaft ausmache: vor allem absolutes Vertrauen, Offenheit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Treue. Erst jetzt, durch diese schmerzhafte Erfahrung, ihn mit einer anderen zu erwischen, sei ihr bewusst geworden, wie viel ihr das doch alles bedeute. Vielleicht habe er ihnen beiden – so merkwürdig das klang – mit seinem Verhalten auch eine große Chance eröffnet?
    Sie könnten ihre Beziehung überdenken, daran arbeiten und vielleicht sogar gemeinsam an der überstandenen Krise wachsen. In der Vergangenheit wäre Lea sicher einfach nur davongelaufen und hätte die Sache beendet. Schluss, aus, Punkt!
    Wieder holte sie tief Luft, bevor sie weitersprach:
    »Aber jetzt ist mir klar geworden, dass das keine Lösung wäre.«
    Davonzulaufen, wenn es kritisch oder problematisch werde, sei weiß Gott nicht erwachsen. Sie habe erkannt, wie wichtig es sei, sich Konflikten zu stellen. Wenn etwas schieflaufe, seien es schließlich immer beide, die ihren Anteil daran trügen. Auch wenn es ihr sehr schwergefallen sei, sich damit auseinanderzusetzen, habe sie hin und her überlegt, was sie selbst falsch gemacht habe, und habe nach Antworten gesucht, immer wieder. Vielleicht habe sie ihm das Gefühl gegeben, dass alles ein lockerer, unverbindlicher Flirt sei. Habe versäumt, ihm zu sagen, was sie wirklich empfände und was ihr wichtig sei.
    »Ich bin froh, dass es jetzt heraus ist«, seufzte sie erleichtert.
    Gerade rutschte Jack unruhig auf seinem Stuhl hin und her und wollte etwas entgegnen, aber sie wehrte ab und fuhr unbeirrt fort:
    Nichts als Fassade sei das alles gewesen, weil sie Angst davor gehabt habe, sich auf etwas Neues, etwas so Intensives einzulassen – Angst davor, verletzt zu werden. Aber jetzt war sie bereit, wollte es wagen, ganz egal, wie es ausgehen würde. Sie wolle eine echte Beziehung eingehen, eine, in der ihr Partner einzigartig sei – nicht austauschbar oder leicht ersetzbar. Auch dann nicht, wenn es vielleicht bequemer wäre oder man gerade Lust auf

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