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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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mehr war in jener Nacht nicht geschehen. Dann aber entwickelte er sich zu ihrem hartnäckigsten Verehrer. Es gab keinen Tag, an dem er sie nicht abholte und sie etwas gemeinsam unternahmen. Meist fuhren sie ziellos durch die Gegend, manchmal gingen sie spazieren.
    Irgendwann landeten sie schließlich in einem Waldstück, und er fragte sie, ob sie mit ihm schlafen wolle.
    Noch nie hatte sie Sex gehabt! Sie wollte Mark aber auch nicht verlieren, also hatte sie zugestimmt. Zärtlich begann er sie zu streicheln, und sie versuchte, es zu genießen, war aber viel zu aufgeregt dafür. Es dauerte nicht lange, bis er ihr den Pullover hochgeschoben und ihre Hose geöffnet hatte. Dann drang er in sie ein. Anfangs war es noch ganz okay, aber dann fing es an weh zu tun. So hatte sie sich das ganz und gar nicht vorgestellt. Alles ging viel zu schnell, und sie war noch gar nicht richtig in Fahrt gekommen.
    Die Scheiben des Wagens waren inzwischen beschlagen, wie bei einem Pärchen, das gerade einen heißen Quickie schob – und nichts anderes war es dann auch. Nicht mehr als ein Quickie, aber leider ganz und gar nicht heiß. Natürlich hatte sie ihn damals angelogen, als er gefragt hatte, wie es für sie gewesen sei. Sie hatte ihm das gesagt, was er hören wollte, und wahrscheinlich – so hatte sie gedacht – würde sie ihn nie wiedersehen. Sicher hatte er etwas Aufregendes erwartet, mehr Leidenschaft, mehr Hemmungslosigkeit. Was hatte sie ihm schon geben können? Steif und verkrampft war sie gewesen. Aber sie sollte sich getäuscht haben – denn von jener gemeinsamen Nacht an trafen sie sich weiter jeden Abend. Bis sie dann die Schweiz verlassen hatte und nach Berlin gegangen war.
    Warum hatte sie ihm damals nichts gesagt? Warum hatte sie nie ein schlechtes Gefühl dabei gehabt, ihn einfach so zurückzulassen? Jetzt wusste sie die Antwort auf all diese Fragen: Sie hatte ihn nie geliebt.
    Erst heute, nach dem wundervollen Abend mit Jack, war ihr klar geworden, wie intensiv sie empfinden konnte. Es musste eben der Richtige kommen, um ihr die Augen zu öffnen.
    Sie fühlte sich, als ob sie bis zum heutigen Abend alles nur in Schwarzweiß gesehen hatte und erst jetzt erkannte, wie viele wundervolle, bunte, schrille Farben es doch gab. So musste es sein, wenn man verliebt war. Die Welt war mit einem Mal so grenzenlos schön, und alles schien möglich.

    E inige Wochen waren inzwischen vergangen. Wochen, in denen Lea fieberhaft ermittelt hatte. Eine wirklich verwertbare Spur hatte sie aber bisher nicht gefunden, und über ein paar vage Vermutungen und Theorien war sie nicht hinausgekommen. Gedankenverloren blätterte sie in der Berliner Tageszeitung und blieb an einer kleinen Meldung hängen: Heute Abend würde eine Wahlveranstaltung der Nationalpartei auf dem Gendarmenmarkt stattfinden.
    Berlin hatte mal wieder einen Wahlkampf – dieses Mal einen sehr kurzen, denn nachdem die Kanzlerin im Parlament die Vertrauensfrage gestellt und keine klare Mehrheit mehr hatte, waren Neuwahlen anberaumt worden. Jetzt hatten die Parteien nur einige Wochen Zeit, ihre Kampagnen zu planen. Das hieß, der Wahlkampf war sofort in der heißen Phase. Eine gute Gelegenheit also, sich einmal in die rechte Szene zu mischen. Wenn nämlich das von Lea erstellte Profil stimmte, kam der Täter aus diesem Umfeld. Vielleicht lieferte ihr diese Fährte eine heiße Spur.

    Unterdessen fuhr Jack Braun, der Chef der Nationalpartei, in Richtung Gendarmenmarkt. Er hatte es sich auf dem Rücksitz seines Dienstwagens bequem gemacht; auf dem Weg zur Wahlveranstaltung wollte er wenigstens noch einen Blick in sein Manuskript werfen, um die Rede, die er gleich halten würde, noch einmal durchzugehen. Aber eigentlich brauchte er diese Vorbereitung gar nicht, denn er war ein Naturtalent. Spontan konnte er sich ohne Probleme vor ein großes Publikum stellen und reden – so mitreißend und sympathisch, dass ihm die Herzen der Menschen nur so zuflogen.
    Als sie den Gendarmenmarkt erreichten, ließ ihn sein Fahrer auf dem Platz vor dem Schauspielhaus aussteigen. Ein rockiger Sound tönte ihnen bereits entgegen. Hunderte von Menschen hatten sich hier versammelt und grölten mit. Die Stimmung schien gut zu sein.
    Jack freute sich. Das war doch schon ein großer Erfolg. Bei den letzten Veranstaltungen waren so wenige gekommen, dass es manchmal schon frustrierend war.
    Nachdem der letzte Ton der Rockhymne von den »Dear Devils« verklungen war, kletterte er auf die Tribüne und

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