Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunnen Verlag
Vom Netzwerk:
sollte. Er schätzte die Entfernung ab: Mit einer Armbrust sollte das kein Problem sein; allerdings musste er sich erst eine besorgen. Im oberen Stockwerk der Aula Major war der prächtige erleuchtete Saal zu sehen.
    Während der Reise hatte Wulf in einem einsam gelegenen Kloster Station gemacht, wo er die Bibliothek benutzen durfte; dort ließ er sich die Schedelsche Weltchronik vorlegen und andere Kosmographien. Er wusste, dass der heutige Bischofssitz früher als Kaiserpfalz gedient hatte; dort residierte folglich Karl V. mit seinem Hof. Da ein Reichstag mehrere Monate dauerte, fanden Sitzungen mit wechselnder Zusammensetzung an verschiedenen Orten statt. Der wichtigste Tagungsort war jedoch der Festsaal der Aula Major. Wie günstig, dass er von hier oben genau daraufblickte!
    Den ursprünglichen Plan, Luther unauffällig zu töten, hatte er längst aufgegeben. Selbst wenn die Gelegenheit bestünde, würde er daran keinen Gedanken mehr verschwenden. Brangenberg und dessen Auftrag interessierten ihn nur noch am Rande; er arbeitete längst im Auftrag einer viel höheren Instanz: Die Schwarze Jungfrau persönlich hatte ihm in einem Traum den Weg gewiesen. Er arbeitete gern vor Publikum, so wie damals, als er Brangenbergs Vater richtete. Noch heute lief ihm ein Schauer über den Rücken, wenn er an diesen Moment dachte, den größten in seinem Leben. Er würde Luther in aller Öffentlichkeit töten – das war der Auftrag der Jungfrau! Vor den Augen des Volkes, vor den Augen der Reichsfürsten – vor den Augen des Kaisers!

K APITEL 26
    Der päpstliche Legat Aleander hielt beide Arme vor der Brust verschränkt. Fröstelnd ging er im Zimmer auf und ab, wobei er von Zeit zu Zeit einen wütenden Blick auf die viel zu niedrige Holzdecke warf. Es klopfte an der Tür, sein Sekretär betrat die Stube.
    Â»Ihr habt mich rufen lassen?«
    Statt einer Antwort hagelte es Flüche. »Weiß der Himmel, was ich verbrochen habe«, polterte Aleander. »Wofür muss ich so schlimm büßen? Welche Schuld habe ich auf mich geladen? Warum hat Gott mich in dieses Barbarenland geschickt? Schlimmer kann es im Fegefeuer nicht sein … wenigstens friert man dort nicht.«
    Â»Ein eigenartiges Land«, pflichtete der Sekretär bei. Er war noch sehr jung und hatte einen Buckel.
    Aleander blieb stehen und machte eine verächtliche Bewegung mit der Hand. »Schau dich nur um. Bei uns haben die Tiere eine bessere Behausung. Ich weiß nicht, wie man hier leben kann. Das Zimmer ist dunkel, und man wird trübsinnig. Ich neige nicht zur Melancholie, aber noch einen Monat in diesem Loch, und meine Seele nimmt auf ewig Schaden. Das ist eine schwere Prüfung, ich sehne den Tag herbei, wenn wir abreisen.«
    Der Sekretär nickte. Was er für ihn tun könne?
    Â»Marcello, ich sage dir, leben kann man nur im Süden«, fuhr Aleander unbeirrt fort, der sich an seiner Wut erwärmte. »Die Sonne, das milde Klima, die Nähe des Meeres. Weißt du, was ich heute gegessen habe zu einem Wucherpreis? Es nannte sich Fisch. Bei uns könntest du dieses Gericht einer Katze vorsetzen: Sie würde naserümpfend davonschleichen – aufs Tiefste beleidigt. Herr im Himmel, schenk mir Geduld! Hab Erbarmen, und lass mich nach Hause kehren! Was ist das für ein Menschenschlag?« Und dann plötzlich, ohne Übergang: »Bitte geh zu Karls Sekretär und besorge mir eine Audienz beim Kaiser; denn ich muss verhindern, dass er den Hurensohn Luther mit Samthandschuhen anfasst.«
    Â»Besteht die Gefahr?«, fragte Marcello.
    Â»Ich weiß es nicht, der Kaiser ist noch so jung, jünger als du. Jeder will ihn beeinflussen, aber er ist streng katholisch erzogen, und deshalb werde ich ihm ins Gewissen reden.«
    Â»Luther ist im Johanniterhof abgestiegen. Habt Ihr seinen Einzug in die Stadt miterlebt?«
    Â»Ein Trauerspiel war das! Eine Schande für den denkenden Teil der Menschheit. Ich bin sicher, sie würden einem Esel nachrennen, wenn man ihnen versichert, das sei Luther. Die Begeisterung, die dieser kranke Mönch im Volk auslöst, ist mir ein völliges Rätsel.«
    Â»Glaubt Ihr, wir bekommen ihn auf den Scheiterhaufen, Exzellenz?«
    Â»Das will ich hoffen, mein Guter. Wenn es noch so etwas wie Gerechtigkeit gibt auf der Welt, kann er nur dort enden. Aber wir leben in schlimmen Zeiten und ich kann für nichts

Weitere Kostenlose Bücher