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Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunnen Verlag
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Schutzbefohlenen, er fühlt sich eingeengt und lässt es dich spüren.«
    Sie erreichten eine Bude in der Nähe des Turnierplatzes, wo Bier ausgeschenkt wurde. Jost holte fünf Krüge, und sie standen beisammen, während die Männer in der Nähe sich die Hälse verdrehten. Das Turnier, die stolzen Pferde, die bunten Wappen und die kampflustigen Ritter büßten schlagartig ihre Anziehungskraft ein.
    Â»Ihr sorgt für Aufsehen«, sagte Jost, während sie anstießen. »Sicher macht ihr das Geschäft eures Lebens.«
    Â»Das ist wohl wahr«, antwortete Susanna und verzog ihren schiefen Mund zu einem bezaubernden Lächeln. »Wenn es nach mir ginge, würde man den ewigen Reichstag ausrufen.«
    Â»Das meiste Geld«, sagte die üppige, rothaarige Delila, »verdient Hildegard – allerdings beim Kartenspiel.«
    Â»Du bist eine Lügnerin!«, rief Hildegard erbost und ging auf Delila los. Sie griff ihr in die Lockenmähne und zog kräftig mit beiden Händen, als müsse sie Unkraut jäten. Dabei verschütteten sie Bier auf Susannas gelbes Kleid, die sich daraufhin an der Rauferei beteiligte. Hanna und Jost brachten sie auseinander.
    Â»Ich kann schon ein paar Brocken spanisch«, sagte Hildegard, um das Thema zu wechseln und warf stolz den Kopf zurück, sodass die kurzen, schwarzen Haare ihr in den Nacken flogen. »Die sind aus einem andern Holz geschnitzt als die Landeier bei uns.«
    Â»Schau, schau, sie scheint Spaß dran zu finden«, neckte Delila. »Vielleicht solltest du auswandern.«
    Hanna griff Jost beim Arm und zog ihn ein wenig zur Seite. Ȇbrigens: Anna ist mit uns nach Worms gekommen.«
    Jost wollte ihr nicht glauben. »Anna? Aber wie ist das möglich? Was macht sie hier?«
    Â»Sie sinnt auf Rache.«
    Luther hatte sich auf seine Stube im Johanniterhof zurückgezogen, um auszuruhen und Briefe zu schreiben. Josts Männer schoben Wache, und so hatte er nun etwas freie Zeit. In der Hoffnung, Anna zu finden, überquerte er den Domplatz, auf dem man während des Reichstages täglich Markt abhielt. Neben den üblichen Ständen mit Lebensmitteln boten Kunsthandwerker ihre Waren feil, auch viele jüdische Kaufleute und Händler bemerkte Jost, die Wechselgeschäfte betrieben. Hannas Mädchen trieben sich zwischen den Ständen herum und warben um Kundschaft.
    Die Luft war mild, fast warm, der Himmel überzogen von tiefdunklem Blau, während gleißendes Licht schräg in die Gassen fiel und manchmal dem Schatten einer schnell ziehenden, schneeweißen Wolke wich, um gleich darauf wieder intensiv und blendend hervorzubrechen. Jost blieb vor dem Portal der Kathedrale stehen und betrachtete die Skulpturen, die im prallen Sonnenlicht lagen und lange Schatten warfen. Er konnte den Blick nicht von drei Frauenfiguren wenden: Eine war prächtig gekleidet, ihre ganze Erscheinung strahlte Stolz und Würde aus; eine zweite trug eine Binde um die Augen; die dritte wirkte abstoßend, Kröten und anderes Ungetier in ihrem Rücken deuteten auf einen minderwertigen Charakter. Jost wusste, dass die schöne Frau für das Christentum stand, die blinde für das Judentum: Ecclesia und Synagoge; bei der dritten handelte es sich wahrscheinlich um »Frau Welt«.
    Jost ging um den Dom herum, in dessen Innenraum ebenfalls Händler standen. Der Reichstag hatte Kaufleute und Gewerbetreibende aus allen Landesteilen angelockt. Ein Mann bot Falken zum Verkauf an, seine Nachbarin wertvolle Ledertaschen. Auf dem Pflaster und auf Holzböcken lagen Felle in verschiedenen Farben, Jost strich mit der Hand über ein Schaffell und fragte nach dem Preis, doch es war teuer. Schließlich blieb er neben einer Gruppe von Männern stehen, die erregt und lautstark diskutierten.
    Eine zahnlose, alte Frau, die ihre hochgebundenen Haare unter einem fadenscheinigen Kopftuch verbarg, trug einen Holzkasten um den Hals, unterteilt in kleine Fächer. Darin lagen Druckschriften – sie war also eine Buchführerin. Auch zu ihren Füßen lagen Schriften: Einblattdrucke mit Holzschnitten, kleine Pamphlete und Broschüren. Bücher konnte Jost nicht entdecken. Eine der Holzschnitt-Illustrationen zeigte den Papst, unschwer an der Tiara zu erkennen, wie er auf dem Donnerbalken saß und jener Beschäftigung nachging, die keine Standesunterschiede kennt.
    Jost ließ den Blick hin und her wandern,

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