Die Lutherverschwörung - historischer Roman
Ehrenmann, das käme einer groben Beleidigung gleich â er übernehme die volle Verantwortung.
Jost schüttelte den Kopf, ging die Treppe hinunter und schickte Peutinger hinauf zu Luther. Er nutzte die Gelegenheit zu einem weiteren Gespräch mit Frundsberg, bis dieser an der Reihe war. DrauÃen versammelte sich Josts Truppe, nach und nach kamen etwa zwanzig Mann zusammen. Er unterrichtete sie über die Neuigkeiten und erteilte ihnen Anweisungen; so verging die Zeit, bis es schlieÃlich dunkel wurde.
Die Gruppe der auf Luther Wartenden verkleinerte sich nicht, weil immer Neue hinzukamen. Dann erschien Anna bei der Tür zur Vorhalle und winkte Jost zu sich. Sie traten ins Freie.
»Das Treffen findet im Dom statt«, sagte sie, ziemlich auÃer Atem. Offenbar war sie gerannt.
»Wann?«
»Wahrscheinlich sind sie schon dort.«
»Brangenberg persönlich?«
»Nein, ein Vertrauter von ihm.«
Jost legte Daumen und Zeigefinger an die Lippen und stieà einen lauten Pfiff aus, die Söldner eilten herbei.
»Zum Dom!«, rief er, und schon rannten sie los, Anna mittendrin.
K APITEL 34
Sein Schlaf war oberflächlich und unruhig. Die Geräusche im Haus und der Lärm vom Domplatz blieben unterschwellig immer präsent. Er hatte den Fensterladen nur halb geschlossen, und jedes Mal, wenn er sich auf seinem harten Lager auf die andere Seite drehte, öffnete er kurz die Augen, um zu sehen, ob es schon Abend sei. Als es zu dämmern begann, schlug er die raue, löchrige Decke zur Seite und stand auf. Vielleicht, überlegte er, wäre es besser gewesen, überhaupt nicht zu schlafen, denn er fühlte sich wie gerädert.
In etwa einer Stunde musste Wulf im Dom sein, um sich mit Brangenberg selbst oder einem Emissär zu treffen. Er hatte sich für diesen Treffpunkt entschieden, weil der Dom ein öffentlicher Ort war, an dem man ihm höchstwahrscheinlich keine Falle stellen konnte. Zugleich war er groà genug, um in einer Nische ein vertrauliches Gespräch zu führen. Wulf war entschlossen, nicht mit sich handeln zu lassen.
Er
würde die Bedingungen stellen. Morgen fand die Verhandlung vor dem Kaiser statt, aber er würde Luther töten, bevor es dazu kam, und dann aus der Stadt verschwinden.
Die Hälfte seines Lohnes hatte er bereits bekommen, die andere Hälfte war nach getaner Arbeit fällig. Also mussten Brangenberg und er einen Treffpunkt auÃerhalb der Stadt ausmachen. Möglicherweise würde Brangenberg behaupten, er könne den Betrag so schnell nicht beschaffen. Darauf gehe ich überhaupt nicht ein, überlegte Wulf, in Worms wimmelt es von Bankiers und Geschäftsleuten, die nur darauf warten, an potente Kunden Kredite zu vergeben. Bestimmt sind auch Abgeordnete der Fugger in der Stadt. Falls er meinen Forderungen nicht nachkommt, töte ich ihn.
Nun wurde es Zeit. Wulf nahm seinen groÃen Reisesack, weil er die Armbrust nicht unbewacht lassen wollte, ging ins Treppenhaus â und stieà dort wieder auf den GroÃvater. Das konnte doch kein Zufall sein! Bestimmt hatte Wladislaw die ganze Zeit gelauert und gehorcht, offenbar hörte er noch recht gut. Der alte Mann stand in der Tür zu seiner Kammer und sagte diesmal kein Wort. Wulf schwieg ebenfalls, aber sie schauten sich an, und ihre Blicke genügten, um sich offen den Krieg zu erklären. Um dieses Problem musste Wulf sich später kümmern, dazu war jetzt nicht der rechte Moment. Er ging an dem Alten vorbei und verlieà das Haus.
Auf dem Domplatz loderten Feuer, es roch nach verbranntem Holz; eine groÃe Menschenmenge hatte sich kreisförmig versammelt. In der Mitte standen zwei schwergewichtige Männer mit entblöÃtem Oberkörper, ihre Haut glänzte, weil sie vollständig mit Ãl eingerieben waren. Sie fassten sich an den Schultern und steckten die Köpfe zusammen; dann begann der Ringkampf, und das Publikum feuerte sie an, man schloss Wetten ab und schrie. Sie sind dumm und stark, dachte Wulf, aber das gefällt den Menschen â so war die Welt, deshalb verachtete er sie.
Bis zum Dom waren es nur wenige Schritte. Vor dem Hauptportal hatte sich eine zweite Ansammlung gebildet; hier dienten Tänzerinnen, dunkelhäutig und mit schwarzen Haaren, als Blickfang. Normalerweise hätte man sie ihrer spärlichen Bekleidung wegen eingesperrt, aber während eines Reichstages schenkte niemand den Sittenwächtern
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