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Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunnen Verlag
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habe. Ulrich von Pappenheim zog sich wieder zurück.
    Einige Stunden später, die Glocken hatten gerade vier geschlagen, erschien er erneut, diesmal in Begleitung des kaiserlichen Herolds für Deutschland, Caspar Sturm, der Luther nach Worms geleitet hatte; Sturm und Luther begrüßten sich wie alte Freunde. Pappenheim forderte Luther auf, nun mitzukommen, denn sie seien beauftragt, ihn zur Verhandlung zu führen.
    Zu Josts großer Erleichterung blieb Luther ein weiteres Bad in der Menge erspart; offenbar hatte der Kaiser persönlich die Anweisung gegeben, ihn abzuschirmen – sicher nicht aus Sorge um Luthers Sicherheit, sondern um zu verhindern, dass der Gang sich zum Triumphmarsch gestaltete. Die Gruppe verließ den Johanniterhof deshalb nicht durch den Hauptausgang, sondern wählte den Weg durch den Garten. Jost ging einfach mit, als gehöre er dazu, denn er wollte unbedingt an der Verhandlung teilnehmen. Sie verließen den Garten durch eine kleine, versteckte Pforte, folgten einer schmalen Gasse und näherten sich dem bischöflichen Palais und der Aula Major von der Rückseite her. Von weitem bereits sahen sie die Massen, viele waren auf die Dächer ihrer Häuser gestiegen, wie schon bei Luthers Einzug.
    Es geht den Wormsern wohl wie mir, dachte Jost, während sie Treppenstufen nahmen, um ein wenig heimlich, wie Diebe fast, den großen Sitzungssaal zu betreten. Die Menschen spürten, dass hier etwas ganz Außergewöhnliches geschah, als wehe der Atem der Geschichte sie an … Vielleicht würde man von diesem Ereignis noch in Jahrhunderten sprechen, wenn sie alle längst unter der Erde lagen?
    Sie betraten den Saal durch eine Seitentür. Jost stockte der Atem, als er den versammelten Reichstag zum ersten Mal erblickte: Die Sitzordnung spiegelte die Hierarchie des Reiches wider: An der Spitze erkannte er den Kaiser, der einen rubinroten Mantel mit Hermelinbesatz trug und auf einem samtbezogenen Thron saß; seine Füße ruhten auf goldenen Löwenköpfen. Die Armlehnen und zwei zapfenförmige Gebilde zu beiden Enden der Rückenlehne waren mit Blattgold verziert. Der Kaiser war wirklich noch unglaublich jung und bartlos, während die Männer um ihn herum graue und weiße Bärte trugen; barhäuptig saß er da, ohne Krone, auf die er im normalen Sitzungsalltag verzichtete. Für Karl, so hatte Jost erfahren, war das Verfahren um Luther nur eine Sache unter vielen. In Worms ging es ihm hauptsächlich um eine Reichsreform.
    Rechts und links von ihm saßen auf Stühlen die sieben Kurfürsten: rechts die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, links der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Weitere bedeutende Reichsfürsten saßen ebenfalls auf Stühlen, der Rest musste mit Bänken vorliebnehmen. Zwei Schreiber führten Protokoll, aber ihre Federn ruhten momentan; Jost bemerkte einen zweiten Tisch – etwas abseits – mit Büchern darauf. Offenbar hatte man auf Luthers Ankunft gewartet und vertrieb sich die Zeit mit Gesprächen.
    Jetzt bemerkte der Kaiser die Neuankömmlinge und gab ein Zeichen mit der Hand, woraufhin es still im Saal wurde. Jost trat in den Hintergrund an die Wand, wo bereits zahlreiche Zuschauer standen. Der Saal war zum Bersten gefüllt; auch auf zwei Emporen drängte man sich.
    Ulrich von Pappenheim trat vor und meldete dem Kaiser Luthers Erscheinen; anschließend ermahnte er Luther, nur auf die ihm vorgelegten Fragen zu antworten. Caspar Sturm forderte Luther auf, zu dem Tisch mit den Büchern zu gehen. Danach zogen er und Pappenheim sich zurück und nahmen auf einer der Bänke Platz.
    Luther ging auf den Tisch mit den Büchern zu, wo ihn ein Mann in geistlicher Tracht erwartete. »Das ist Johannes von Ecken, der Sprecher des Kaisers«, flüsterte jemand hinter Josts Rücken seinem Nachbarn zu. Luther, der einen unsicheren Eindruck machte, blieb in gebührendem Abstand vom Tisch stehen. Beeindruckte ihn die ungewohnte Kulisse? Machte sie ihm vielleicht sogar Angst?
    Der Kaiser sagte etwas zu seinem Dolmetscher und dieser übersetzte: »Johannes von Ecken, Ihr habt das Wort!«
    Von Ecken, die Fingerspitzen auf den Tisch gestützt, den Oberkörper nach vorn gebeugt, sprach zunächst lateinisch, sodass Jost nichts verstand, dann wiederholte er auf Deutsch: »Martin Luther, die

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