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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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flussabwärts fahren.
    »Wie kommst du mit Luther aus?«, erkundigte sich Hanna.
    »Anfangs war es schwierig«, sagte Jost, »aber so langsam gewöhnt er sich an mich und meine Leute. Natürlich halten wir uns weitgehend im Hintergrund, aber letztens hatten wir sogar ein richtig gutes Gespräch miteinander.«
    »Ich wollte mit dir über etwas reden, Jost. Es geht um einen meiner Kunden, der noch nicht lange zu uns kommt, vielleicht seit zwei oder drei Wochen. Er behauptet, Pilger zu sein auf dem Weg nach Santiago de Compostela …«
    Sie kehrten um und liefen zurück Richtung Stadt. Es war Sonntagnachmittag, und hier und da begegneten ihnen andere Spaziergänger. Jost dachte an Luthers Predigt, die er heute gehört und die ihn beeindruckt hatte. Es war um das Gewissen des Menschen und sein Verhältnis zu Gott gegangen.
    »Weshalb beschäftigt dich dieser Pilger?«, fragte er geistesabwesend.
    »Weil ich glaube, dass er kein Pilger ist!«
    Mit einem Mal war Jost bei der Sache. »Du glaubst, er verstellt sich? Wie nennt er sich und wo wohnt er?«
    Hanna hob den Saum ihres Rocks etwas höher. »Er nennt sich Zainer und wohnt im Gasthof am Markt.«
    »Weshalb verdächtigst du ihn?«
    Hanna blieb stehen und wandte sich ihm zu. Sie strich mit dem kleinen Finger der linken Hand eine Locke aus der Stirn und wirkte nachdenklich. »Das ist eher so ein Gefühl«, sagte sie, aber er wusste, dass Hanna eine exzellente Menschenkennerin war und sich selten täuschte.
    »Könntest du das genauer beschreiben?«
    »Schwierig«, sagte sie und bewegte die Finger, als könne sie aus ihnen die treffende Formulierung herausschütteln. »Er will immer zu mir, die Mädchen interessieren ihn nicht. Dabei verhalte ich mich regelrecht abweisend. Aber je deutlicher ich ihn von mir stoße, desto hartnäckiger klebt er an mir. Er wirft mit seinem Geld nur so um sich … und ohne dass ich ihn auffordere, fängt er an zu erzählen und stellt Fragen. Ich habe den Eindruck, er spielt mir etwas vor. Er gibt sich als Kunstschreiner aus, aber ich glaube nicht, dass das sein wahrer Beruf ist.«
    »Was für Fragen stellt er?«
    »Meistens geht es um Luther.«
    Plötzlich war Jost hellwach.
    »Er trägt ein Geheimnis bei sich«, sagte Hanna. »Ich glaube, er ist krank. Es ist eine schlimme Krankheit, aber keine körperliche. Die Art wie er spricht und wie er denkt …« Sie klopfte sich mit der flachen Hand mehrmals gegen die Stirn. »In seinem Kopf stimmt etwas nicht.«
    »Was genau will er über Luther wissen?«, fragte Jost.
    »Er will wissen, was ich und die Leute über ihn denken. Er gibt vor, sich mit seinen religiösen Thesen befasst zu haben. Aber wenn ich ihm auf den Zahn fühle, bleibt er wortkarg. Außerdem fragt er mich aus über das gesellschaftliche Leben der Stadt und über Luthers Gewohnheiten. Verstehst du, was ich sagen will, Jost? Er ist verrückt – und ist es auch wieder nicht. Manchmal habe ich den Eindruck, dass er ein Ziel verfolgt und genau weiß, was er will. Dann wirkt er sehr vernünftig und klar. In anderen Momenten wiederum scheint er nicht ganz bei sich zu sein.«
    »Kommt er häufig zu dir?«
    »Etwa jeden zweiten Abend.«
    Sie beschleunigten ihre Schritte, weil es zu nieseln begann. Jost begleitete Hanna bis zum Badehaus und verabschiedete sich von ihr. Dann ging er weiter zum Schloss, wo er und seine Männer in einem Nebengebäude untergebracht waren. Der stärker werdende Regen fiel schräg gegen die Fassade. Die Wolken hingen so tief, dass sie fast den Turm der Schlosskirche berührten.
    Er ging sofort in seine Kammer, die er mit seinem Stellvertreter teilte. Helmut war auch mit Jost in Italien gewesen und der Einzige, der schon bei der Ermordung Brangenbergs dabei war. Beide verband eine enge Freundschaft. Obwohl Jost sein Vorgesetzter war, nahm sich Helmut die Freiheit, manchmal deutliche Worte mit ihm zu sprechen. Jost akzeptierte das, sofern es nicht in Gegenwart seiner Männer geschah.
    »Gibt’s was Neues?«, fragte Jost. Helmut saß am Tisch vor einem Schachbrett, auf dem nur noch wenige Figuren standen.
    »Luther soll vor dem Kaiser erscheinen«, sagte er beiläufig und bewegte einen Läufer um zwei Felder nach vorn.
    »Was?!« Jost hatte das Gefühl, ihn träfe ein Blitzschlag. Es konnte nicht wahr sein. »Über so was macht man keine blöden Witze«, fuhr er seinen Kameraden an.
    »Ich mache keine Witze.« Helmut vergrub das Kinn in der rechten Hand und rieb sich mit den Fingern die Wange. »Wenn ich jetzt

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