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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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überwacht ihn zurzeit?«
    »Rudolf … Aber da kommt er ja gerade.«
    Ein breitschultriger Mann kam hinkend auf sie zu. Aus der Nähe erkannten sie, dass seine Kleidung zerrissen war.
    »Was ist passiert?«, fragte Jost ärgerlich.
    Rudolf räusperte sich. »Ich war gerade auf dem Weg zum Cranachhof, um dich zu benachrichtigen … Also … Schuld ist dieser blöde Nachtwächter.«
    »Moment – eins nach dem andern«, verlangte Jost. »Du hast vor der Herberge des Pilgers Wache geschoben – richtig?«
    »Ja.«
    »Was ist dann passiert?«
    »Ich habe plötzlich Geräusche gehört«, sagte Rudolf, »aber sie kamen nicht vom Haupteingang her, denn den habe ich ja im Blick gehabt. Da das Gebäude einen zweiten Ausgang zum Hof hin hat, bin ich um den ganzen Block gelaufen. Der Platz vor dem Gasthof ist ja schön gepflastert, aber die Seitenstraße natürlich nicht … und kurz zuvor hat es tüchtig geregnet. Kurz und gut, das Pflaster endet abrupt, ich merke es zu spät, rutsche aus und lande der Länge nach im Dreck!«
    »Großartig!«, sagte Jost. »Dich kann man schicken!«
    »Du verstehst nicht: Das eigentliche Problem ist nämlich die Katze gewesen.«
    »Was für eine Katze?«
    »Also die Katze ist die ganze Zeit neben mir hergelaufen. Na ja, ich habe sie ein wenig gestreichelt, während ich Wache schob … Vermutlich bin ich auf sie draufgefallen, als ich ausrutschte, so genau weiß ich das nicht. Vielleicht habe ich sie auch nur erschreckt, jedenfalls fing sie plötzlich an zu kreischen.« Rudolf packte Jost am Arm. »Dann ist jemand losgerannt. Der Kerl muss ganz in meiner Nähe gewesen sein, aber ich habe es nicht bemerkt.«
    Anna bat den Mann, doch endlich zur Sache zu kommen. Er solle sagen, wo der Pilger sei und sich den Rest schenken!
    »Das stellt ihr euch zu einfach vor«, erwiderte Rudolf und lachte bitter. »Der Flüchtende ist nämlich zur Stadtkirche gerannt … ich hinterher und die Katze neben mir. Dort war es sehr finster, und ich sehe gerade noch, wie der Kerl die niedrige Steinmauer überspringt, die die Kapelle und den Kirchhof umgibt. Ich also hinterher. Mitten im Kirchhof steht doch diese große Linde – und über eine ihrer Wurzeln, die aus dem Boden ragen, muss der Mann wohl gestürzt sein. Ich sehe ihn so am Boden liegen und werfe mich auf ihn. Der Mann war übrigens nicht viel größer als ein Kind.«
    Rudolf umklammerte erneut Josts Arm. »Jetzt habe ich ihn«, denke ich, »aber von wegen! Jost, du weißt, dass ich kein Kind von Traurigkeit bin; ich habe manchen Strauß gefochten und kann mich meiner Haut wehren. Aber irgendwie schlüpft er unter mir weg, kriegt mich mit beiden Händen am Hals zu fassen und drückt zu. Ich will mich befreien, aber seine Hände sind wie Eisenklammern. Dieser Mann besitzt übermenschliche Kräfte, das geht nicht mit rechten Dingen zu! Ich sehe rote und gelbe Lichtflecken und glaube, mein letztes Stündlein hat geschlagen, da fliegt ein Schatten an mir vorbei, und in dem Moment springt ihm die Katze ins Gesicht. Gott segne das Vieh! Sie kratzt und beißt und kreischt – und er lässt mich los! Kriegt sie zu fassen, wirft sie von sich, und ehe ich mich versehe, ist er schon wieder auf den Beinen und rennt los. Ich hinterher. Schon haben wir den Kirchhof hinter uns gelassen und jagen durch die engen Gassen, vorbei am Collegium. Er steuert das Eremitenkloster an – und dann kommt dieser blöde Nachtwächter auf den Plan! Das ist wirklich ein Nachtwächter, der verdient seinen Namen!«
    »Um Himmels Willen, Rudolf, fass dich kurz und sag uns, wohin er entwischt ist.«
    »Der verdammte Nachtwächter … Ich sehe ihn auftauchen mit seiner Laterne und der lächerlichen, verbogenen Hellebarde; das muss ein Erbstück sein und er weiß nicht mal richtig, wie man sie hält. Wahrscheinlich hat man ihm eingeschärft, heute ein Auge auf das Kloster zu haben wegen Luthers Abreise. ›Halt ihn auf‹, schreie ich, ›da läuft er!‹ Aber der Blödmann begreift nichts, sieht nur mich – und das ist mein Verhängnis. Er ruft etwas wie: ›Halt! Stehen bleiben!‹ Seine Stimme zittert. Ich achte nicht weiter auf ihn und verfolge Zainer, der schon um die Ecke ist und das Elstertor ansteuert. Er will aus der Stadt, denke ich, das musst du verhindern … Da wirft mir dieser Nachtwächter seine Hellebarde zwischen die Beine, denn er denkt wohl – sofern dieser Mensch zum Denken fähig ist –, ich sei ein Dieb. Und zum zweiten Mal an diesem Abend, aber jetzt aus vollem Lauf,

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