Die Lutherverschwörung
ist das?«
»Gift.«
»Wo habt Ihr es her?«
»Gestohlen.«
»Lügt mich nicht an!«
»Ich sage die Wahrheit.«
»Wisst Ihr, was darauf steht?
»Der Scheiterhaufen.«
Er schwieg eine Weile, dann sagte er: »Vor einiger Zeit ist ein Mann in die Stadt gekommen und im Gasthaus am Markt abgestiegen. Er gibt sich als Pilger aus und nennt sich Zainer.«
»Ich kenne ihn«, sagte Anna. »Er verkehrt bei Cranach.«
»Auch nachdem Martha verschwunden war, habt Ihr Euch einige Male getroffen.«
Sie fragte ihn, woher er das alles wisse.
»Eine gute Bekannte hat mich auf die Spur gebracht. Hat der Pilger Martha entführt?«
»Ja.«
»Was hat er verlangt? Luthers Leben gegen das Eurer Tochter?«
»Das Pulver ist von ihm«, sagte Anna. »Er behauptet, dass es nicht sofort wirkt, sondern erst nach einigen Stunden.« Ihre Stimme zitterte: »Jetzt wird er Martha töten.«
Jost schwieg. Anna wischte sich über die Wangen; im Nebenraum erzählte Luther von Rom.
»Warum habt Ihr verhindert, dass ich von dem Wein trinke?«, fragte Gessner.
»Am liebsten würde ich ihn selbst trinken, wenn noch etwas übrig wäre.«
Er fasste sie an der Schulter und zog sie an sich. Sie barg ihren Kopf an seinem Hals – so wie sie es früher bei ihrem Bruder getan hatte, und spürte plötzlich wieder diese Geborgenheit, die aus einem anderen Leben, einem anderen Zeitalter zu kommen schien. Sie fühlte seine Hand, die mehrmals über ihr Haar fuhr und dann den weichen und sanften Druck seiner Lippen.
»Ich bringe dir Martha zurück«, sagte er leise. »Ich verspreche es dir.«
KAPITEL 18
Luther redete laut im Gastzimmer, während Jost und Anna sich leise in der Küche unterhielten. Sie berichtete, was bisher geschehen war. Das Feuer im Herd brannte herunter, und die Kerzen erloschen eine nach der anderen; ihr Geruch vermischte sich mit dem von gebratenem Fleisch, Bohnen und Wein.
»Ich lasse den Pilger seit einiger Zeit beobachten«, erklärte Jost, während er abwesend die leeren Teller, Schalen und Becher betrachtete, die sich auf den Tischen stapelten. »Auch momentan ist einer meiner Männer auf ihn angesetzt. Wir werden ihn festnehmen und zum Sprechen bringen. Lass uns gehen!«
»Wenn du das alles gewusst hast, warum hast du dann so lange gezögert?«, fragte Anna.
»Weil ich es eben nicht wusste! Das waren doch alles nur Vermutungen, ausgelöst durch die Warnungen einer Freundin.«
Anna ließ die Sache auf sich beruhen. Sie verließen die Küche durch jene zweite Tür, die in den Innenhof führte. Das Hoftor stand offen. Als sie auf die Gasse traten und um die nächste Häuserecke bogen, sahen sie fünf oder sechs Männer, in eine Prügelei verwickelt. Einer von ihnen war riesengroß, sein langer Bart, wie ihn sich Jost beim Patriarchen Abraham vorstellte, wehte ihm über die Schulter.
Inmitten eines Knäuels aus Armen und Beinen erkannte Jost seinen Freund Helmut. Und obwohl es ihn ärgerte, dass dieser Zwischenfall ihn unnötig aufhielt, eilte er ihm zu Hilfe. Nur mit Mühe gelang es, die Streithähne zu trennen.
»Was zum Teufel ist denn hier los?«, schimpfte Jost.
»Das übliche Lied«, erwiderte Helmut, »Cranachs Gesellen haben sich mit den Studenten geprügelt. Ich habe versucht, sie auseinanderzubringen.«
Die Studenten, zwei schmächtige, junge Männer und nicht daran interessiert, sich mit Söldnern anzulegen, machten sich davon. Nun baute sich Vater Abraham, einer von Cranachs Gesellen, trotzig vor Jost auf: Die Taugenichtse hätten angefangen, erklärte er. Diese Burschen lägen bis zum Mittag im Bett, statt zu arbeiten! Was dieses Volk überhaupt in Wittenberg suche? Das Schlimme sei, dass der Fürst die Faulenzer über Gebühr belohne. Und damit sie nicht nach Leipzig gingen, dürften sie hier leben wie die Maden im Speck. Er wisse aus zuverlässiger Quelle, dass dieses Lumpenpack nur drei Groschen pro Woche an Essenskosten bezahle; dafür bekämen sie zwei Mahlzeiten am Tag und noch Bier dazu … Das mit dem Bier ärgerte ihn wohl besonders.
»Verschwindet jetzt!«, befahl Jost.
Daraufhin steuerten Vater Abraham und sein Begleiter, der einen Kopf kleiner war, Arm in Arm den Cranachhof an, sichtlich mit sich und der Welt zufrieden. »Denen haben wir es gegeben!«, prahlte der Kleinere.
»Verdammt«, fluchte Helmut, »mein Zahn ist hinüber.«
»Geh mir jetzt nicht mit deinem Zahn auf die Nerven«, erwiderte Jost. »Zainer hat Annas Tochter entführt – wir müssen ihn sofort finden und festnehmen. Wer
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