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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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unangenehm war, er verdrängte die Gedanken daran. Ein Gasthof, richtig, davon hatte der Kapitän erzählt, und eine Zollstation.
    Wulf schaute sich um, er lag in einer kleinen Kammer; auf einer Kiste bei der Tür brannte eine Öllampe, die ihren Geruch im ganzen Zimmer verbreitete und flackernde Schatten an die Wand warf. Er hörte etwas poltern, Schritte auf einer Treppe offenbar. Lag er im oberen Stock? Johanna öffnete die Tür, sie hielt eine Öllampe in der Hand und stellte sie neben die andere: Nun warfen die Gegenstände und auch Johanna zwei Schatten, die sich teilweise überlagerten.
    Sie setzte sich auf das Bett und schuf eine tiefe Kuhle, in die er hineinrutschte, nun war er ganz nah bei ihr; sie fasste mit der Hand nach seiner Stirn: »Schon besser!«
    Hatte er Fieber gehabt? Er erinnerte sich nicht. Wulf schob seinen Arm unter der Decke hervor und bemerkte, dass er nackt war. Er fasste sich an den Kopf. Seine Stirn war nicht heiß, aber die Haare an den Schläfen verklebt. Johanna schlug die schweren Decken zur Seite – die angenehme Wärme wich sofort. Sie fasste seine Schenkel, beugte die Beine und beobachtete dabei sein Gesicht. Das rechte Knie tat ihm weh, aber der Schmerz war erträglich. Sie forderte ihn auf, die Bewegungen selbst auszuführen, und er gehorchte. Noch einmal sagte sie: »Du hast mehr Glück gehabt als Verstand!« Schnell zog er die Decken wieder über sich.
    »Wie lange habe ich geschlafen?« Es waren seine ersten Worte seit langer Zeit. Die Lippen fühlten sich spröde und vertrocknet an, die Zunge klebte am Gaumen; außerdem hatte er einen ekelhaften Geschmack im Mund, nach Erbrochenem – obwohl er sich auch daran nicht erinnern konnte.
    »Die ganze Nacht und den ganzen Tag.«
    »Einen ganzen Tag ?«
    »Und geschnarcht, dass die Wände wackeln.«
    »Wo ist der Kapitän?«
    »Hier ist kein Kapitän, mein Kleiner.«
    »Und das Schiff?«
    »Was für ein Schiff? Irgendwo tief unten, fürchte ich. Wahrscheinlich hast du als Einziger überlebt.«
    »Das Pferd?«
    »Ist gut versorgt.« Sie legte wieder ihre Hand auf seine Stirn und nickte zufrieden.
    »Ich habe Hunger«, sagte er, »und Durst.«
    »Dann steh auf und komm nach unten.«
    »Ich brauche etwas zum Anziehen.«
    Sie stellte die zwei Öllampen auf den staubigen Boden, öffnete die Kisten und kramte Kleidungsstücke hervor. »Das hier sind Sachen von meinem verstorbenen Mann. Wahrscheinlich passt du zweimal hinein, aber ich habe nichts Besseres – und deine Gewänder sind noch nicht trocken.«
    Er stand auf, und seine Knie fühlten sich weich an, als er auf Johanna zuging. »Lass mal sehen!« Als Wulf die grauen Hosen anzog, waren sie oben so weit, dass Johanna laut lachen musste. Er biss die Zähne zusammen, denn er konnte es nicht ausstehen, wenn man sich über ihn lustig machte. Er kramte einen braunen Ledergürtel aus der Kiste und band ihn um die Hose; den Saum musste er dreimal umschlagen, damit der Stoff nicht auf dem Boden schleifte. Das ehemals hellblaue, an manchen Stellen geflickte Leinenhemd reichte ihm bis zu den Knien, und wieder brach Johanna in Gelächter aus. An ihrem tiefen Lachen störte Wulf am meisten, dass es nicht enden wollte, in Stößen kam ihr Hohoho, Hohoho, als werfe die Loreley ihr berühmtes Echo.
    »Ist ja gut«, sagte Wulf, schlug die Hemdsärmel mehrfach um und klemmte das Hemd, so gut es ging, unter den Gürtel. Auch ein paar Schuhe mit dünner Sohle fanden sich, und Wulf und Johanna gingen die Treppe hinunter.
    Zum ersten Mal nahm Wulf die Gaststube bewusst wahr. Er zählte drei Tische mit einigen Stühlen dabei, und auf zwei Brettern an der Wand sammelte sich das Geschirr. Neben der Tür stand eine große, offenbar sehr schwere Glocke mit hölzernem Griff. Sie bemerkte seinen Blick.
    »Das ist mein Warnungsglöckchen«, sagte sie, »für die Schiffe bei Nebel.« Sie fasste den Griff und schwang die Glocke mühelos hin und her wie ein Weihrauchgefäß, was in dem winzigen Raum einen derart höllischen Lärm auslöste, dass sich Wulf beide Hände gegen die Ohren presste. Zum dritten Mal lachte sie ihn aus.
    »Bring mir was zu essen und zu trinken!«, sagte Wulf, der mittlerweile sehr verärgert war, sich aber bemühte, es nicht zu zeigen.
    »Setz dich dort hin, mein Kleiner, ich will für dich sorgen.«
    Wulf setzte sich auf einen der niedrigen Hocker und reichte mit den Schultern kaum über die Tischplatte, auf der nun die beiden Öllampen standen. Johanna verschwand in der nebenan

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