Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
Vom Netzwerk:
liegenden Küche, und bald zog Wulf der Duft von Zwiebeln, Speck und Bohnen in die Nase. Er betrachtete die beiden Flammen, die manchmal ruhig und gleichmäßig brannten, dann wieder von irgendwo einen Luftzug auffingen, sodass sie sich wanden und bogen, quälten und flatterten. Während er sie betrachtete, kam die Erinnerung an jene Dinge zurück, die vor dem Sturm lagen.
    »Läuft dir schon das Wasser im Mund zusammen?«, rief Johanna aus der Küche.
    »Ich habe auch Durst.«
    Johanna kam und stellte einen Krug und einen Becher auf den Tisch. »Das wird dich stärken.«
    Wulf war froh, dass sie nicht schon wieder mein Kleiner sagte. Vielleicht, überlegte er, hat mich das im Sturm gerettet: Besäße ich einen schweren Körper, wäre ich jetzt tot. Endlich kam Johanna mit dem Essen, sie trug mit beiden Händen eine schwere Pfanne und stellte sie vor Wulf auf den Tisch; daneben legte sie einen groben Holzlöffel. Wulf füllte den Löffel mit Speck, Bohnen und Getreidekörnern und verbrannte sich den Mund, weil er so gierig war; danach ging er vorsichtiger zu Werke. Er spürte Johannas Blicke, während er schweigend aus der Pfanne aß, bis nichts übrig blieb.
    »So gut hat mir ein Essen noch nie geschmeckt.«
    »Das Rezept stammt von meinem Mann. Der war früher Landsknecht, und das aßen sie auf langen Märschen, denn es ist einfach zu kochen und hält lange vor.«
    »Sag mal, dieses Unwetter – das war doch kein normaler Sturm!«, erkundigte sich Wulf.
    »Als ich die schwarzen Wolken heranfliegen sah, flüchtete ich ins Haus und verriegelte alle Türen und Fenster.«
    »Kamen heute Schiffe?«
    »Nein, denen steckt noch die Angst in den Knochen.«
    Wulf erzählte ihr von Kapitän Hans. »Er ist tot«, sagte er.
    »O mein Gott!!!« Johanna starrte ins Leere und schlug beide Hände vors Gesicht; daraufhin stand Wulf auf, ging um den Tisch herum und legte ihr eine Hand auf die Schulter, mit der anderen fuhr er über ihr graues, hinten zu einem Knoten zusammengebundenes Haar, das sich straff und zart anfühlte. Nun schob sie die Hände zur Seite und schaute zu ihm auf; im Kerzenlicht glänzten ihre Augen feucht. Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf die Wange.
    Wulf dachte an sein Leben vor dem Sturm, an das Ziel seiner Reise. In diesem Moment verspürte er überhaupt keine Lust, den Faden wieder aufzunehmen. Warum blieb er nicht hier? Vielleicht würde sie ihn bei sich aufnehmen. Er hatte den Eindruck, dass er ihr gefiel. Gleichzeitig wusste er, dass er zu einem solchen Leben nicht taugte und dass er bald wieder aufbrechen und seine Reise fortsetzen würde. Er hatte eine Aufgabe zu erledigen – unwiderstehlich zog es ihn nach Worms.

DRITTER TEIL

KAPITEL 24
    Worms, im April 1521
    Die Menschen in den Gassen von Worms sprachen nur von Luther, man kannte kein anderes Thema. Irgendwann schallten Trompetenstöße vom Turm des Doms herunter. Die Nachricht, dass Luthers Wagen sich der Stadt näherte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
    Jost stand nahe beim Tor. Hier drängten sich die Menschen so dicht, dass er selbst mit fünfzig Helfern nicht für Luthers Sicherheit hätte sorgen können. Er musste daran denken, dass Luther bereits in Erfurt gesagt hatte, es gebe keine Sicherheit außer bei Gott. In der gegenwärtigen Lage konnte man wirklich nur noch hoffen und beten. Jost wies Helmut an, sich mit fünf Männern in das Menschengewühl vor dem Tor zu mischen, während er selbst mit dem Rest der Truppe hinter dem Tor blieb. Jost stieg auf die Stadtmauer, weil er glaubte, von dort aus die Situation am besten zu überschauen.
    Eine Wormser Delegation ritt Luther entgegen. Söldner, die Franz von Sickingen zum Geleit geschickt hatte, begleiteten Luthers Wagen. Jost schaute sich um, die Menschen vor und hinter der Stadtmauer jubelten Luther zu und riefen seinen Namen, als sei er ein germanischer Held. Es mochten Hunderte sein, die ihn beim Tor erwarteten. Jost schaute zurück ins Stadtinnere; Schaulustige kletterten auf Dächer; man hörte Geschrei, das Schmettern von Trompeten, das Trampeln von Schritten – es erinnerte ihn an die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem.
    Er durfte sich von der Begeisterung nicht blenden lassen; neben ihm standen zwei seiner Männer, Georg, der seit zwei Jahren zu seiner Truppe gehörte, und Hermann, ein entfernter Verwandter von Helmut. »Achtet besonders auf Bewaffnete und behaltet die umliegenden Häuser im Auge!«, befahl er.
    Jost spürte die Nähe einer Gefahr, die er nicht orten

Weitere Kostenlose Bücher