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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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verabredet: nach Einbruch der Dunkelheit, während der Messe.
    Wulf ging zurück auf den Kornspeicher, er schaute nach seiner Armbrust, die sich in einem großen Sack befand, und stellte sicher, dass niemand während seiner kurzen Abwesenheit in seinen Sachen gewühlt hatte.
    Wulf öffnete das Fenster einen Spalt breit und schaute nach draußen. Es sah nach Regen aus. Die Luft, von einem leichten Wind gereinigt, roch frisch und frühlingshaft. Die Marktleute bauten ihre Stände auf, Karren fuhren über den Domplatz und wurden entladen. Die Menschen waren schweigsam und in das Stampfen der Hufe und das Knarren der Wagen mischten sich nur selten Stimmen, wenn man sich kurze Anweisungen zurief. Der Wind blies in den Speicher und Wulf fröstelte. Während er einem Gewürzhändler zuschaute, der kunstvoll seine vielfarbigen Waren anordnete, überlegte er, wo er seine Waffe erproben könnte. Heute war die letzte Gelegenheit, denn wahrscheinlich würde Luther bereits morgen vor dem Reichstag auftreten.
    Wulf wandte den Kopf nach links und blickte über die roten und schwarzen Dächer, über die Türme der Kirchen und Klöster und die Stadtmauer hinweg auf die Rheinauen. Gar nicht weit von der Stadt sah er eine kleine Insel mit Bäumen und Büschen und einigen Häusern, in denen Fischer wohnten – bequem über eine Brücke erreichbar. Am entfernt gelegenen Ende der Insel entdeckte er einen Kran, dessen Arm in die Luft ragte; er konnte sogar erkennen, dass das auf halber Höhe hängende Seil ein wenig hin und her schwankte. Hinter dem Kran lag ein einmastiges Schiff vor Anker. Wulf betrachtete den flussabwärts gelegenen Teil der Rheininsel; dort, wo sie sich verjüngte und in einem spitzen Zipfel endete, sah er keine Häuser mehr, nur Bäume und Hecken und ein winziges Stück bebautes Land. Die Ecke war entlegen und gefiel ihm, aber leider stand dort jemand – regungslos. Wulf strengte seine Augen an: Ein Mensch, der so lange dort stand, ohne sich im Geringsten zu bewegen? Das konnte kein Mensch sein. Er beschloss, genau dort, an diesem entfernten Inselzipfel, den ersten Distanzschuss mit seiner Armbrust zu wagen.
    Wulf schulterte den Sack mit der Armbrust, er sah keinen Grund, die Sache länger aufzuschieben, trotz seiner Müdigkeit. Er würde tagsüber schlafen, um abends wieder auf der Höhe zu sein. Wulf stieg die steile Treppe hinunter, da trat ihm im ersten Stock der Großvater in den Weg.
    »Geht Ihr auf Beutefang?« Wladislaw deutete auf den großen Sack.
    Wulf zog die Stirn in Falten. Ahnte der Alte etwas? Wusste der Großvater, dass er die Nacht außer Haus verbracht hatte? Er suchte nach einer unverbindlichen, harmlos klingenden Antwort, aber seine Müdigkeit machte ihm zu schaffen.
    »Ich will ein paar Einkäufe erledigen, weiter nichts«, sagte Wulf. »Ich reise bald ab und muss gerüstet sein für unterwegs.«
    »Verständlich, verständlich, so würde ich es auch machen.«
    Sie standen im Treppenhaus, Wulf wollte an ihm vorbei, aber der Alte rührte sich nicht vom Fleck. Solange Wladislaw seine Familienmitglieder ärgerte, hatte Wulf ihn amüsant gefunden, aber nun, da er selbst zur Zielscheibe wurde, sah die Sache anders aus.
    »Was tragt Ihr da bei Euch?«
    Wulf blickte über seine Schulter und natürlich war der Sack ausgebeult von der Armbrust, deren Form man aber nicht erkennen konnte, denn Wulf hatte sie mit Stoff umwickelt. Er suchte in seinem übermüdeten Hirn nach einer überzeugenden Antwort, doch leider vergebens.
    »Am liebsten würdet Ihr wohl einen Blick hineinwerfen«, sagte er und ärgerte sich über seine Einfallslosigkeit mehr als über den Alten.
    Wladislaw strahlte über das ganze Gesicht. Dieses Lächeln, fiel Wulf auf, zeigte sich immer dann, wenn es ihm gelang, jemanden aus der Reserve zu locken. Schlafmangel war teuflisch, man geriet in einen Zustand, der mit einem Rausch vergleichbar war, gab die falschen Antworten und brachte sich unnötig in Schwierigkeiten.
    »Ich muss weiter«, sagte Wulf.
    Wladislaw gab die Treppe nicht frei. »Gefällt Euch der Reichstag? Hier kann man die Feste feiern, wie sie fallen, ist es nicht so?«
    Wulf schaute nicht gern zu anderen auf, und Wladislaw, obwohl er gebeugt und auf einen Stock gestützt stand, war ein großer Mann. »Worauf wollt Ihr hinaus?«
    »Ihr seid erst am Morgen ins Haus zurückgekehrt – mit diesem Sack auf dem Rücken.«
    Hatte der Alte ihm aufgelauert? »Ich habe mich ein wenig vergnügt«, erwiderte Wulf. »Und was den Sack

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