Die Macht der Angst (German Edition)
Edies Stimme klang brüchig. »Wovon sprichst du? Falls es das ist, was ich vermute, spar dir die Mühe. Ich will diesen verlogenen Schwachsinn nicht hören! Ich habe genug, hörst du? Mir reicht es!«
Des und Marta schauten sich an, dann winkte er Edie zu sich. »Edie, wir müssen uns unterhalten. Und ich muss dir ein paar Dinge zeigen, die dir die Augen öffnen werden.«
»Meine Augen sind weit geöffnet!«, schrie sie. »Ich werde jetzt zu Ronnie gehen! Ihr anderen haltet einfach die Klappe und lasst uns in Frieden! Fahrt zur Hölle!«
»Das geht nicht, Edie. Noch nicht.« Er nahm ihren Arm.
Edie riss ihn mit aller Kraft los. »Fass mich nicht an!«
»Ach, Edie.« Er klang müde und traurig. »Lass es uns hinter uns bringen.«
Na schön. Sie konnte ihnen den Gefallen tun, sich ihre Lügen anhören und sie anschließend in den Wind schießen. Sobald sie ganz genau wusste, worum es hier ging. Was immer sie sagten, würde nichts an der Realität ändern. Sie konnten nichts daran ändern, wer Kev war. Sie konnten ihn mit ihren Intrigen nicht zerstören.
Er war zu stark, zu real. Zu rein.
Sie folgte Des aus dem Zimmer, wobei sie die Arme vor der Brust verschränkte. Um ihr Herz und die Wahrheit zu beschützen.
Etwas raschelte zwischen ihren Fingern. Sie hielt noch immer den zerknüllten E-Mail-Ausdruck, den sie aus der Sammelmappe ihrer Mutter genommen hatte, in der Hand. Er brachte sie auf einen anderen Gedanken.
»Des, was war heute Morgen?«, fragte sie ihn. »Hast du dich mit Kev getroffen? Hast du ihm die Archive gezeigt? Habt ihr irgendetwas entdeckt?«
Sein Blick huschte zur Seite. »Das ist ein Teil von dem, worüber wir reden müssen.«
»Nun, dann rede endlich!«
Des öffnete die Tür zur Bibliothek. »Hier ist jemand, der mit dir sprechen möchte«, verkündete er.
Am Schreibtisch saß eine dünne, grauhaarige Frau in einem strengen, marineblauen Kostüm und kritzelte etwas in einen Notizblock. Sie stand auf, als sie eintraten.
»Edie, darf ich dir Detective Monica Houghtaling vom Portland Police Department vorstellen? Detective, dies ist Edith Parrish.«
Edie schüttelte der Polizistin die Hand und bedankte sich für ihre Beileidsbekundung, dann starrte sie auf den Stuhl, den Des ihr zurechtrückte, als würde sie den beiden eine undefinierbare Macht über sie geben, wenn sie sich setzte.
»Des.« Ihre Stimme war hoch und dünn. »Was ist heute Morgen passiert? Hat es mit den Archiven zu tun?«
»Nichts ist passiert. Zumindest nicht in Bezug auf Larsen. Er ist nicht aufgetaucht.«
»Er ist nicht aufgetaucht? Was soll das heißen? Er hat uns über seine Ankunft verständigt. Er schrieb, dass er –«
»Ich habe eine geschlagene Stunde an unserem vereinbarten Treffpunkt auf ihn gewartet. Dann musste ich los, weil ich um Viertel nach zehn einen Termin hatte. Mit Charles.«
»Heute Morgen? Du warst … dort?« Ihre Stimme erstickte.
Des fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. »Ja«, bestätigte er mit ernster, dumpfer Stimme. »Ich war dort, Edie. Als es passierte. Ich habe alles gesehen. Ich und meine Kollegin, Dr. Cheung. Sie steht noch immer unter Schock.«
»Aber das ist … aber –«
»Wir waren gerade damit fertig, ihm ein neues Projekt zu präsentieren. Die Finanzierungsmöglichkeiten zu besprechen. Er hat sich eine Zigarre angesteckt und ist hinüber zum Fenster geschlendert, dabei sprach er noch mit uns … als plötzlich …« Er brach ab, schluckte schwer, schaute weg. »Ich kann nicht darüber sprechen.«
Im Zimmer herrschte Stille, abgesehen von Martas schniefenden Geräuschen hinter ihnen.
»Edie, wir müssen jetzt über ein paar unangenehme Themen sprechen«, fuhr er fort.
Sie hielt abwehrend die Hand hoch. »Fang gar nicht erst an.«
»Es muss sein«, insistierte er betrübt. »Wir können uns den Luxus, die Realität zu verleugnen, nicht erlauben. Detective, darf ich ihr die Videoaufnahmen zeigen?«
Houghtaling zog einen silberfarbenen Laptop zu sich heran und tippte etwas ein. Ihr schmaler Mund war verkniffen und streng, als sie sagte: »Dies sind die Aufnahmen der Überwachungskamera vor dem Gebäude der Parrish Foundation von heute Morgen neun Uhr neunzehn.« Sie drehte den Laptop um, damit Edie den Bildschirm sehen konnte.
Auf dem Bild bewegte sich nichts mit Ausnahme dreier Äste, die sich vor dem Eingang des neuen Gebäudes der Parrish-Stiftung sanft im Wind wiegten. Mehrere Momente passierte nichts, bis eine hochgewachsene, vertraute Gestalt in Sicht kam.
Weitere Kostenlose Bücher