Die Macht der Angst (German Edition)
Kopf, schnappte sich weitere Fesseln und fixierte Avas Knöchel. Er rollte sie auf den Bauch und fesselte ihr die Hände auf den Rücken, dann band er die Schlingen mit einer dritten Manschette zusammen, sodass sie wie ein Bogen nach hinten gekrümmt war. Das musste höllisch unangenehm sein, doch das wäre es auch gewesen, wäre es ihr gelungen, ihn für den Rest seines jämmerlichen Lebens in die Rolle eines willenlosen, zombiehaften Sklaven zu zwingen. Außerdem hatte sie Edie bedroht.
Dieser Gedanke bewog ihn dazu, den Gummiball zu nehmen, der in Yuliyahs Mund gesteckt hatte. Ava quollen vor Entsetzen die Augen aus dem Kopf, als er ihr den Knebel umband.
Ratlos betrachtete er sein Werk. So, und was nun?
Er spähte aus der Tür und sah in einen größeren Laborraum hinein. Er war still und verwaist. Cheungs Behauptung, sie habe dafür gesorgt, dass sie nicht gestört würden, war nicht gelogen gewesen. Yuliyah stieß wieder irgendwelche unverständlichen Worte aus, dann tat sie so, als würde sie einen Schlüssel in einem Schloss drehen und zeigte auf Ava. Sie kniete sich neben sie, durchsuchte Avas Hosentaschen und zog einen Schlüsselbund hervor. Das Mädchen dachte mit.
Kev packte Ava unter den Achseln und schleifte ihren gefesselten Körper in den Nebenraum. Er hatte keine Fenster, dafür weitere Türen. Kev öffnete sie wahllos. Hinter einer befand sich eine Kammer mit Laborbedarf. Er ließ Ava auf den Boden fallen, ging hinein und rückte die Kisten an der hinteren Wand beiseite, um eine Höhle zu schaffen. Nachdem er Ava hineingequetscht hatte, stapelte er die Kisten wieder davor.
Sie könnte ersticken oder tagelang klopfen und wimmern, ohne dass irgendjemand sie hörte. Damit war ihr Schicksal an seines geknüpft. Falls er es lebend hier rausschaffte, würde er der Polizei sagen, wo sie zu finden war.
Sollte man ihn töten, würden sie sie erst entdecken, wenn sie zu riechen anfing.
Es war ein gnädigerer Tod als der, den sie für ihn oder für Yuliyah im Sinn gehabt hatte. Damit konnte er leben. Oder sterben, je nachdem.
Jetzt mussten sie nur noch einen Fluchtweg finden. Kev versuchte es wieder mit den Türen. Viele waren verschlossen. Er streckte die Hand aus und ließ sich von Yuliyah die Schlüssel geben, die sie Cheung abgenommen hatte. Endlich konnte er eine Tür öffnen. Dahinter befand sich eine weitere abgedichtete Tür, die wie die eines gigantischen Kühlschranks aussah. Eine Reihe farbiger Lichter blinkte an der oberen Kante. Ihn beschlich ein mulmiges Gefühl. Er drehte sich zu Yuliyah um.
»Bleib zurück«, wies er sie an. »Ich werde einen Blick hineinwerfen.«
Das Mädchen schüttelte den Kopf und klammerte sich an seinem Arm fest. Kev hatte nicht die Kraft, mit ihr zu diskutieren. Er stieß die Tür auf.
Ein Schwall kalter Luft und fauligen Gestanks schlug ihnen entgegen. Sie schraken keuchend zurück. Yuliyah wimmerte. Er schubste sie zurück zu der äußeren Tür. Sie krallte die Nägel in seinen Arm, bis seine Haut aufriss. Schließlich gingen sie gemeinsam hinein.
Der Raum war mit Metalltischen vollgestellt, auf denen Körper lagen, die in schwarzen Reißverschluss-Plastiksäcken steckten.
Heilige Scheiße
. Sein Kopf vor Entsetzen wie leer gefegt, schaute Kev sich um.
Er zählte zwölf Säcke, musterte den Leichensack, der ihm am nächsten war, und zog den Reißverschluss ein paar Zentimeter weit auf.
Eine junge Frau. Blutverkrustete Locken. Ihr Gesicht zu einer Fratze verzerrt, die Lippen aufgeworfen, die Augen starrend und von geplatzten Kapillaren durchsetzt. Schwärzliches Blut aus ihrer Nase befleckte ihre Haut.
Yuliyah begann zu kreischen. Kev fuhr herum und presste die Hand auf ihren Mund. »Nein!«, knurrte er.
Von Schluchzern geschüttelt, riss sie sich zusammen. Sie zitterte wie Espenlaub in dem eisigen Kühlraum, was ihn auf ein weiteres Problem aufmerksam machte. Das Mädchen war so gut wie nackt. Selbst wenn sie es mit heiler Haut aus diesem Gebäude schafften, konnte er sie nicht in Unterwäsche in die kalte Novemberluft hinausführen. Avas Klamotten hätten ihr zwar gepasst, aber die Frau war in dem Lagerraum verstaut, außerdem drehte sich ihm bei dem Gedanken, diese abscheuliche Kreatur ausziehen zu müssen, der Magen um. Die Vorstellung war in etwa so verlockend wie die, in diese Leichensäcke gucken zu müssen. Sie war kein Mensch, sondern eine lebende Tote. Ein Stück Fleisch, das sich ausschließlich von blinder Wut und Hass nährte.
Kev zog
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