Die Macht der Angst (German Edition)
erwies sich als Glücksfall, denn als sie das obere Ende der Stufen erreichten, war ihr Magazin leer.
Sie rannten ins Schlafzimmer. Kev legte Sean auf den Boden, dann hetzte er zurück zur Tür, um sie abzuschließen und die Kommode davorzuschieben. Er zog die Jalousie vor dem Fenster hoch und …
Bamm
. Eine Kugel streifte den Fensterrahmen. Holzsplitter und Farbpartikel stoben nach allen Richtungen.
Verdammt. Sie saßen in der Falle.
Davy versuchte, Sean anzurufen und ihn auf den neuesten Stand zu bringen, während sie Tony folgten, erreichte ihn jedoch nicht. In einem Industriegebiet hielten sie neben Tonys Pick-up an. Bruno kurbelte die Scheibe runter und deutete nach vorn. »Das zweite Gebäude im nächsten Block. Das, vor dem all diese SUV s parken.« Er runzelte die Stirn. »Seltsam. Abgesehen von Kev wohnt niemand in diesem Haus. Normalerweise gibt es hier niemanden, der –«
Ka-wumm
. In der obersten Etage flogen die Scheiben aus den Fenstern. Die Wucht der Explosion vibrierte durch ihre Körper.
Autoalarmanlagen begannen zu schrillen, gefolgt von hektischer Aktivität rund um die SUV s, die vor dem Gebäude parkten. Es waren Schreie und Rufe zu hören.
»Heilige Muttergottes.« Miles’ Stimme zitterte.
Pling
. Davys Handy vermeldete den Eingang einer SMS . Er las sie entgeistert. »Sean ist dort drinnen«, verkündete er tonlos. »Liv ebenfalls.«
Circa vier Sekunden herrschte blankes Entsetzen, dann spürte Miles, wie sich die Stimmung veränderte und eine eisige, sachliche Ruhe die McCloud-Brüder überkam. Miles hatte diesen Trick bis heute nicht gelernt. Er saß vor Angst schlotternd im Auto und dachte an Sean. Nein. Nicht Sean. Nicht Liv. Und dann auch noch das Baby. Undenkbar. Er verjagte den Gedanken, ballte die Fäuste, biss die Zähne zusammen. Riss sich am Riemen.
Davy öffnete ein Fach im Boden des Geländewagens und nahm einen Waffenkoffer heraus. »Ich habe meine Glock und einen Colt Cobra. Was habt ihr dabei?«
Miles schüttelte den Kopf. Er hatte sich nie eine Lizenz besorgt, um eine versteckte Waffe zu tragen. Wem hätte er damit etwas vormachen wollen? Davy grunzte abfällig, dann warf er ihm die Glock und drei Ladestreifen in den Schoß. »Nimm die.«
»Ich habe meine Beretta und außerdem noch das aus Halskette und Ohrringen bestehende Schmuckset, das ich an eine von Tams Kundinnen ausliefern sollte«, sagte Con. »Individuell designte Stücke aus Platin, Diamanten, Splittergranaten und Composition B im Wert von hundertfünfzigtausend Mäusen.«
»Oh Mann«, ächzte Miles. »Tam wird dich umbringen, falls du sie so viel Geld kostest.« Tam jagte ihm noch immer höllische Angst ein.
Con öffnete seine Umhängetasche und brachte eine verzierte Schmuckschatulle aus purpurfarbenem Leder zum Vorschein. Er klappte sie auf und nahm die funkelnden Schmuckstücke heraus. »Allmächtiger, die Frau ist vollkommen irre.«
»Im Notfall ist ihre Psychose oft hilfreich«, wandte Davy ein, als er seinen Colt lud.
»Ich bevorzuge trotzdem gute, altmodische Granaten. Ich brauche den Glimmerkram nicht.«
Davy nahm ein Fernglas aus der Mittelkonsole. »Drei Männer gehen gerade rein, mindestens einer bewaffnet – nein, sie sind alle bewaffnet, mit Uzis, wie es scheint. In welche Scheiße ist Kev da reingeraten, in den Zweiten Weltkrieg?«
Bruno lehnte sich aus dem Fenster. »Ich schlage vor, wir parken auf der Rückseite des Nebengebäudes.«
Als sie um die weitläufigen Lagerhäuser herumfuhren, hörten sie, wie die Schießerei begann. »Das ist gut«, bemerkte Davy.
»Gut?« Miles schnappte nach Luft. »Wieso sollte das gut sein?«
Davy und Con tauschten ein dünnes Lächeln. »Weil noch immer jemand am Leben ist, der zurückfeuert«, klärte Con ihn auf.
Tony stieg mit seiner Flinte und einer Beretta Cougar bewaffnet aus dem Pick-up. Bruno folgte ihm mit einer Taurus Millenium, wobei er seine Tante mit einem zornigen Wortschwall überschüttete und ihr auftoupiertes Haar nach unten drückte, damit sie den Kopf einzog. Die widerspenstigen pechschwarzen Locken sprangen wie bei einem Springteufel sofort wieder nach oben. Bruno warf in verzweifelter Kapitulation die Hände in die Luft, dann pirschte er sich an der Seite des Gebäudes entlang.
Die anderen schlossen eilig zu ihm auf. Miles’ Herz befand sich dort, wo sein Adamsapfel sein sollte, und hämmerte wie wild in seinem winzigen Gefängnis. Er umklammerte die Pistole mit seiner schweißnassen Hand und nahm seinen ganzen Mut
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