Die Macht der Angst (German Edition)
zusammen. Die Vorstellung, dass er wahlweise das Leben eines Technik-Nerds führen könnte. Wie eine blasse, liebeskranke Made im Keller seiner Eltern verkrochen. Ohne ein Leben, ohne Sex, ohne Cindy. Und ohne tödliche Gefahren. In erstickender Sicherheit.
Aber nein, er war hier. Die Schüsse verstärkten sich zu einem apokalyptischen Feuerwechsel, und er rannte direkt darauf zu, anstatt sich zu entfernen.
Bäng. Bäng
. Miles zuckte mit einem leisen Aufschrei zusammen. Das war näher gewesen. Außerhalb des Gebäudes, nicht darin. Bruno linste um die Hausecke, dann zog er den Kopf zurück und bedeutete den anderen näher zu kommen. »Zwei Autos, sechs Männer«, flüsterte er. »Kev versucht gerade, aus dem hinteren Fenster zu klettern. Sie haben ihn umstellt.«
Davys Grinsen war unheilverkündend. »Dann lasst uns die Bastarde ablenken.«
Mit schmalen Augen betrachtete Con die Flotte schwarzer SUV s, die vor den Müllcontainern in der Seitengasse standen. »Wenn ich mit dem Wagen um den Block fahre, kann ich hinter sie gelangen und Tams diamantbesetzte Granaten werfen«, sagte er.
»Sei vorsichtig«, rief Davy ihm nach, als sein Bruder so schnell davonhetzte, dass er sein Hinken vergaß. Sie legten sich inmitten der Müllsäcke hinter den Containern auf die Lauer.
»Gebt mir Deckung«, raunte Bruno. »Ich schleiche mich in das Nebengebäude und hinauf zu dem Fenster, um ihnen nach draußen zu helfen.«
»Ich komme mit«, verkündete Davy. Er schlug Miles auf die Schulter. »Du hältst diese Kerle in Schach.«
Davy und Bruno rannten davon, dann brach die Hölle los.
Das Geschützfeuer hallte dröhnend in Miles’ Kopf wider. Er gab Schuss um Schuss ab, wobei er sich auf die Lippen biss, bis sie bluteten. Ausgerechnet er, der völlig verängstigte, überarbeitete Technik-Nerd mit der geborgten Pistole sollte diese Gangster in Schach halten und die Verantwortung für Leben und Tod übernehmen? Na toll.
Tony schien seine Gedanken zu erraten, denn er gab ihm einen aufmunternden Klaps. »Konzentrier dich auf die beiden Kerle hinten«, brüllte er Miles ins Ohr. »Halt diese Wichser unter Kontrolle. Ich übernehme die beiden vorderen.«
Die Anweisung half. Miles tat wie geheißen, aber der Lärm vernebelte ihm den Kopf, alles kam ihm seltsam hell und surreal vor. Aber er feuerte weiter, bis das Magazin leer war, dann lud er mit zitternden Händen nach.
Und hielt diese Wichser unter Kontrolle.
32
Kevs Muskeln zuckten vor Anstrengung, als er Sean vorsichtig gegen die Wand lehnte. Keuchend kauerte er sich neben ihn.
Er hatte keine Idee mehr. Die Schlinge zog sich zu. Das vordere Fenster war nur noch ein klaffendes Loch im vierten Stock, das weiterhin unter Beschuss stand. Irgendjemand, der noch immer stinkwütend war, feuerte unablässig durch die Öffnung, während jemand anders gleichzeitig die Treppe hochkam. Kev hatte nicht die leiseste Ahnung, was ihn draußen erwartete. Die Feuertreppe war der einzige Weg aufs Dach – eine weitere Sackgasse. Und selbst wenn er es schaffte, Sean lebendig aus seinem Schlafzimmerfenster zu bugsieren, wusste er nicht, ob er mit einer Hand die Häuserschlucht würde überwinden können, während er seinen Zwillingsbruder wie einen hundertzwanzig Kilo schweren Schal auf seiner Schulter trug. Ganz zu schweigen davon, dass auch Liv sich darüber hinweghangeln müsste. Ebenso gut könnte sie sich eine Zielscheibe auf ihren Babybauch malen. Allein bei dem Gedanken verkrampften sich ihm vor Entsetzen die Eingeweide.
Liv drückte Seans schlaffen Körper an sich und stützte ihn mit einem Arm. Kev gestikulierte zu ihrem Bauch. »Geht es dir, äh … ihm gut?« fragte er, doch Angesichts ihres Blicks wünschte er sich, es nicht getan zu haben. Ihr bevorstehendes Verhängnis war so unausweichlich, dass sich jede Antwort erübrigte.
»Ich bin froh, dass er dich wiedersehen konnte. Zumindest dieses eine Mal«, sagte sie. »Selbst wenn es mitten in einem Kugelhagel war. Bevor … passiert, was immer passiert.«
»Ja.« Kev streckte die Hand aus und tastete nach Seans Halsschlagader. Der Puls seines Bruders war stark und stetig. »Darüber bin ich auch froh.«
»Und ich freue mich, dass er dir die Meinung geigen konnte«, fuhr sie mit hitzigerer Stimme fort. »Wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie du es verdient hättest. Du Mistkerl. Wie konntest du ihm das antun?«
Liv erwartete eindeutig, dass er etwas darauf erwiderte. Sich verteidigte. Aber ihm kam kein Wort über die Lippen. Es
Weitere Kostenlose Bücher