Die Macht der Angst (German Edition)
sofort einen Krankenwagen zum Parrish-Gebäude«, befahl Houghtaling irgendjemandem. »Mr Marr?« Sie sprach nun wieder in den Hörer. »Mr Marr? Sind Sie noch da? Wie schwer sind Sie verwundet?«
»Entschuldigung«, wisperte er. »Ich verliere immer wieder das Bewusstsein. Ich musste … es Ihnen sagen. Dass Larsen sie hat. Bevor es … zu spät ist. Finden Sie sie. Bitte. Finden Sie sie.«
»Ja, natürlich, Mr Marr. Ich kümmere mich augenblicklich darum.«
»Beeilen Sie sich«, flehte er. »Ich kann nicht … ich …« Er verstummte, legte jedoch nicht auf. Hörte zu, wie die Frau seinen Namen rief.
Des Marr machte es sich auf den Stufen bequem und tupfte sich um des Effekts willen Blut ins Gesicht. Bereitete sich psychisch für den nächsten Akt vor.
BJ Meyers war nervös, gelangweilt und verängstigt. Seine Angst machte die Langeweile nicht leichter erträglich. Observierung war ein Scheißjob. Er rutschte auf dem Autositz umher und dachte an all die toten Kollegen. In die Luft gesprengt oder abgeknallt.
Dabei hatte er gedacht, solche Scheiße seit seinen Einsätzen im Irak und in Afghanistan hinter sich zu haben. Und dann auch noch auf den Straßen von Portland, Oregon. Damit hatte er bei einer innerstaatlichen Operation nicht gerechnet. Dabei sollte sein Job bei Bixby Enterprises nur vorübergehend sein. Die Kohle war fantastisch. Acht Monate, und er hätte genügend Grundkapital für ein eigenes Geschäft zusammen. Wenn er nicht vorher ins Gras biss.
Seine Finger trommelten aufs Lenkrad, seine Füße auf die Kunststoff-Bodenmatte. Er starrte hoch zu dem Fenster im zweiten Stock –
Heilige Scheiße. Dort oben bewegte sich ein Lichtstrahl. Dann verschwand er, trotzdem war BJ sich sicher, ihn gesehen zu haben. Umherhuschende Schatten. Auf keinen Fall konnte jemand das Haus durch den Haupteingang betreten haben, ohne dass er es mitbekommen hätte. Wer immer es war, hatte das Licht nicht eingeschaltet. Also rechnete er mit einer Überwachung. Was bedeutete, dass er gefährlich war.
Keine Frage. Wer in der Lage war, die Hälfte eines zehnköpfigen Bixby-Teams zu liquidieren, war mehr als gefährlich.
BJ sammelte seinen Mut zusammen und sprintete über die Straße und unter die Markise des Imbisslokals. Er schlich an dem Haus entlang in die Seitengasse, wo die Mülltonnen ihren fauligen Gestank verströmten. Jemand hatte die Leiter der Feuertreppe nach unten gezogen. Er entdeckte einen Haken und ein Seil. Der Mistkerl war durch das Fenster eingestiegen.
Dann kam vor seinen Augen ein Mann herausgeklettert. Er war gedrungen und untersetzt. Es war dieser ältere Kerl. Er hatte einen Seesack dabei. Er musste zurückgekommen sein, um Waffen, Geld und Dokumente zu holen.
BJ duckte sich hinter die Mülltonnen, als der Typ mit für solch einen alten Furz, der dazu noch mit einer schweren Tasche beladen war, erstaunlicher Gelenkigkeit die glatte Leiter hinunterkraxelte. Er hängte sich an die unterste Sprosse, ließ sich grunzend auf den Boden fallen und eilte auf einen in die Jahre gekommenen Taurus Sedan zu, der auf seine Schwester Rosa Ranieri, dieses irre Miststück, das Jarolds Becken und Hüfte zertrümmert hatte, zugelassen war.
Eine Sekunde, bevor die Scheinwerfer aufleuchteten und seine Anwesenheit enthüllen konnten, tauchte BJ zwischen den Müllsäcken ab. Der Wagen bretterte an den Mülltonnen vorbei und verschwand. BJ klopfte sich Unrat von den Klamotten, rannte zu seinem Wagen und rief seinen Boss an. Tom ging sofort ran. »Was?«
»Tony Ranieri kam gerade heim, um seinen Kram und das Auto seiner Schwester zu holen.« BJ s Stimme überschlug sich vor Aufregung. Er ließ die Zündung an und fuhr den Laptop hoch.
»Ist sein Wagen mit einem Hochfrequenzsender verwanzt?«
»Selbstverständlich.« BJ checkte den Monitor, während er auf die Straße einscherte. »Ich bin etwa achthundert Meter hinter ihm.«
»Bleib dicht an ihm dran«, befahl Tom. »Vielleicht lässt er den Wagen irgendwo stehen.«
BJ stieg aufs Gas. »Sie können auf mich zählen, Boss.«
36
»Detective, ich bitte Sie nicht, mir zu glauben. Ich weiß, dass Sie das nicht tun werden. Ich bitte Sie lediglich, Ronnie zu schützen«, beschwor Edie sie. »Holen Sie sie dort raus. Ich flehe Sie an. Bringen Sie sie an einen sicheren, geheimen Ort, und stellen Sie sie unter Polizeischutz. Sie ist nicht sicher bei diesen –«
»Nicht sicher?« Houghtaling schnaubte verächtlich. »Mit ihrer Tante, ihrer Cousine und einer vierköpfigen
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