Die Macht der Angst (German Edition)
Schrei aus.
Bäng. Bäng
. Ihre Tränen nahmen ihr die Sicht. Sie drückte den Abzug –
Klick. Klick
. Leer. Alle sechs Kugeln verschossen.
Noch immer mit der nutzlosen Waffe fuchtelnd, als könne sie sie irgendwie beschützen, taumelte Edie auf wackeligen Beinen zurück. Sie hörte abgehacktes Schluchzen. Tiefe, keuchende Atemzüge. Das war sie selbst. Sie ignorierte es und konzentrierte sich auf das monströse, entartete Ding, das dort auf dem Boden kauerte.
Des bewegte sich; er setzte sich auf und umklammerte seinen Arm. Seine Hand war rot verfärbt. Blut tropfte auf die hellen Bodenfliesen. Er grinste, seine Zähne unnatürlich weiß im Halbdunkel. Er brachte seine Waffe in Anschlag. »Ist das alles, was du drauf hast?« Ohne größere Anstrengung sprang er auf die Füße. »Du böses Mädchen. Du hast mich am Arm getroffen. Dafür wirst du zahlen. Kleine Dreckshure.«
Bäng
. Kreischend stolperte sie gegen die Wand.
Es vergingen mehrere schockierte, verwirrte Sekunden, bis Edie realisierte, dass nicht sie angeschossen worden war. Es war Des, der wieder von den Füßen gerissen und nach hinten katapultiert worden war. Jemand schrie, aber sie war taub von den Schüssen. Des rappelte sich auf die Knie –
Bäng
. Er warf sich zur Seite, brüllte vor Zorn.
»… in Ordnung? Edie? Edie! Kannst du mich hören?«
Oh, großer Gott. Es war Kev, der ihr vom Ende des dunklen Gangs etwas zurief.
»Kev!« Sie stürzte ihm entgegen.
Bäng
. Eine Kugel streifte die Wand neben ihrem Kopf und zog eine Furche in den nackten Gipskarton. Staubpartikel stoben in einer beißenden Wolke nach allen Seiten.
»Edie! Runter!«, brüllte Kev.
Sie warf sich mit einem Hechtsprung auf den Boden.
Bumm
. Mündungsfeuer blitzte in der Dunkelheit, als Kev zurückschoss. »Bleib unten«, bellte er. »Kriech wie eine Schlange! Los, beweg dich!«
Ein Kugelhagel donnerte über ihren Kopf hinweg. Edie robbte auf dem Bauch durch den mit Splittern übersäten Flur.
Bäng
. Kev packte sie am Arm und zog sie ins Treppenhaus. Dort kauerten zwei weitere Männer. Edie sprang ins Leere und schlug sich die Füße an den Treppenstufen an, als die Schwerkraft sie einholte. Kev brachte sie ins Gleichgewicht und zerrte sie weiter.
Edie musterte die beiden Männer. Sie waren ihr unbekannt. Einer sprach gerade in sein Handy. »… haben sie. Wir sind in zehn Sekunden bei euch.«
»Ist er noch … hast du ihn erwischt?«, fragte sie Kev.
Er warf einen Blick nach hinten. »Ich weiß es nicht. Ich dachte schon, aber er –«
Bäng. Bäng
. Schüsse hallten im Treppenhaus wider. Gefolgt von hastigen Schritten.
»Damit wäre das beantwortet«, murmelte Kev. »Er muss eine kugelsichere Weste tragen.«
Die Hintertür stand weit offen, die Glasscheibe war zertrümmert. Ein grauer Van wartete davor, die Hecktür aufgerissen. Bruno kam auf sie zugerannt, packte Edies anderen Arm und hievte sie wie einen Getreidesack in den Fond. Die Männer zwängten sich hinter ihr ins Innere.
Bruno sprang auf den Beifahrersitz. Der Van raste los, noch ehe die Türen geschlossen waren. Sekunden später bremste er wieder, und ein weiterer Mann quetschte sich auf den Vordersitz, ein anderer auf die Rückbank. Mit quietschenden Reifen bretterte der Wagen um die Kurven, als sie zurück zur Abzweigung Highett Street jagten.
Blinkende Lichter. Rote Rundumkennleuchten von näher kommenden Polizeiautos.
»Das darf doch nicht wahr sein«, stöhnte Bruno. »Wer zur Hölle hat die denn gerufen?«
»Ich«, gestand Edie mit gefühllosen Lippen. »Es tut mir leid.«
Bruno zischte irgendeine Obszönität durch die Zähne. »Gibt es auf der anderen Seite des Parkplatzes eine Straße?«
»Ich glaube schon«, antwortete sie. »Es gibt dort eine neue Trasse, aber soweit ich weiß, verläuft davor ein –«
Rums, bumm, wump
. Der Chevy Astro hüpfte und scherte aus, als Bruno über den Bordstein und durch die Zierstrauchhecken rumpelte. Sie holperten und ruckelten durch den Landschaftsgarten und über die Grünflächen, mussten immer wieder Bäumen ausweichen. Die Räder wühlten sich durch Rindenmulch, schlingerten über Steine und Fußwege. Ohne Scheinwerfer hätten sie in der Dunkelheit beinahe einen Zierbrunnen übersehen.
Auf der Rückbank wurden sie kräftig durchgerüttelt und rumpelten gegeneinander. Dann gab es ein lautes Knirschen, gefolgt von einem schlingernden Ruck, und sie wurden alle auf eine Seite geworfen. Bruno schaltete die Scheinwerfer an und fluchte.
»Oh,
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