Die Macht der Angst (German Edition)
knochenzermalmender Kraft die Kehle zu. Ihr Herzschlag wurde zu einem lauten Tosen in ihrem Kopf.
Sie hörte kaum mehr, wie Tam in das Funkgerät schrie. Tom kämpfte sich auf die Ellbogen hoch; sein Gesicht war eine wutverzerrte Fratze. Er nahm Ziel.
»… müsst sie loswerden … sie wird hochgehen … macht schon, gottverdammt noch mal …«
Bäng, bäng, bäng, bäng
. Tom gab eine Salve von Schüssen ab. Tams Stimme erstarb.
Keuchend vor Schmerz lag sie flach auf dem Boden, hielt sich die Schulter, den Oberschenkel. Tom drosch seine Waffe so brutal gegen Edies Ellbogen, dass ihr die Fernbedienung aus den Fingern glitt.
Des schnappte sie sich. Edie kreischte vor Entsetzen und Verzweiflung –
Bumm
. Der Knall war so gigantisch, dass der Wald bebte, die Bäume erzitterten.
In der betäubten, schrecklichen Stille, die folgte, schaute Edie zu Tam, die noch immer auf der Erde kauerte. Ihre Blicke trafen sich. In Tams Augen standen unendliche Trauer und ein Wissen, das sie nun teilten. Es war ein bodenloser Abgrund, in den ein Mensch bis in alle Ewigkeit fallen konnte.
Des und Tom rappelten sich ächzend auf die Beine. Marr zog Edie hoch, dann fluchte er, als ihr die Knie wegsackten. »Auf die Füße«, knurrte er und wandte sich Tom zu. »Wurdest du getroffen?«
»Ich werde es überleben«, brummte er. »Die Weste hat die Kugeln abgefangen. Ich habe nur eine Fleischwunde. Sie tut höllisch weh. Diese schmutzige kleine Schlampe. Der werde ich Manieren beibringen.«
»Dann übernehme ich Edie«, schlug Des vor. »Mach du hier sauber.« Er gestikulierte zu Tam und versetzte ihr einen grausamen Tritt in ihren verwundeten Schenkel. Sie zuckte keuchend zusammen, gab ansonsten jedoch keinen Laut von sich. »Töte sie.«
»Oh ja«, meinte Tom genüsslich. »Es wird mir ein Vergnügen sein.«
Edie hielt den Blickkontakt zu Tam so lange wie möglich aufrecht, während Des sie zu seinem Wagen schleifte, der hinter Kevs gemietetem SUV parkte. Er hob die Fernsteuerung und ließ den Kofferraumdeckel aufspringen. Die Welt neigte sich und kippte, als er sie hineinwarf. Edies ganzer Körper wurde gestaucht, während sie mit einem schmerzerfüllten Stöhnen aufschlug.
Die Lippen zu einer grotesken Parodie eines Grinsens verzerrt, starrte Des auf sie hinunter. »Jetzt fängt der Spaß erst richtig an. Hure.« Er schlug den Deckel zu.
Und Edie wurde von der erstickenden Dunkelheit eines Grabes eingehüllt.
38
Kev robbte auf dem Bauch in Richtung Haus. Der Wald bot ihm Schutz, aber er hatte nur einen einzigen Ladestreifen. Wenn sie ihn hier draußen ohne Munition schnappten, wäre das sein sicherer Tod, und im Haus befand sich ein komplettes Waffenarsenal.
Kugeln schwirrten durch die Luft und durchsiebten die Pakete mit Zedernholzschindeln, mit denen Aaro sein Haus hatte verschalen wollen. Eine weitere schlug in die zukünftige Veranda ein, die bislang nur ein Gerüst aus Zehn-auf-Zehn-Zentimeter-Kanthölzern war. Kev arbeitete sich zur Rückseite des Gebäudes vor, bevor er auf die halb fertige Terrasse sprang. Eine Kugel fräste eine brennende, blutrote Spur in seinen Oberschenkel, als er durch die Tür schlüpfte.
Die Vorderfenster im Souterrain waren zerbrochen. Die Männer lagen flach ausgestreckt auf dem Boden. Aaro warf ihnen aus einem großen, umgestürzten Metallspind Waffen und Munition zu.
Das nächste Sperrfeuer durchlöcherte die Wände. Glasscherben, Holzsplitter, Putz und kreidige Brocken Rigips regneten auf sie herab. Ein Walkie-Talkie lag auf dem Boden. Eine schrille, dringliche Frauenstimme drang heraus.
Con krabbelte hin und rief etwas hinein. Er riss den Kopf hoch, seine Augen alarmiert geweitet. »Eine Bombe!«, brüllte er. »In einer Roboterschlange! Hier im Haus!«
Kev erhaschte eine zuckende Bewegung. Eine einäugige, schwere, dicke Königsboa, verborgen unter einem Sack mit Wintertarnanzügen. Sie zuckte und drosch um sich wie eine wild gewordene Peitsche. Er schnappte sie sich.
»Lass sie fallen! Sie wird explodieren!«, schrie Con. »Alle Mann raus hier!«
Kev schaute sich um. Die Ausgänge waren blockiert. Draußen wurde pausenlos gefeuert. Sie würden in Stücke zerfetzt, wenn sie hinausrannten. Selbst wenn er versuchte, mit der Bombe in den Kugelhagel zu springen, würden ihn die Rückstöße wieder nach drinnen schleudern.
Dann also in die andere Richtung. Durch die Panoramafenster im Erdgeschoss, die auf die zerklüftete Klippe blickten. Kev sprang zu dem Baugerüst, das in die
Weitere Kostenlose Bücher