Die Macht der Angst (German Edition)
Fleisch.
39
Bruno saß hinter dem Steuer, und das war gut, weil Kev garantiert von der Straße abgekommen wäre. Zum Glück war der Highway um diese Zeit leer. Sean hatte nonstop mit diesem Mann namens Nick oben in den San Juans telefoniert, der Davys Signal via Satellitenkarte folgte. Es bewegte sich noch immer, aber sie lagen gute fünfundzwanzig Minuten dahinter zurück und holten einfach nicht auf. Marrs Jaguar musste nur zwei Personen befördern und schaffte mühelos hundertachtzig Sachen.
Der G-Klasse-Mercedes des Fettwansts hatte einen starken Motor, aber es saßen fünf große Männer darin, und darum konnte Bruno nicht mehr als hundertfünfundvierzig aus ihm rausholen.
Bruno lief noch immer Wasser aus den Augen und der Nase, aber er wischte einfach mit dem Ärmel darüber und fuhr grimmig weiter.
»He«, wandte Sean sich an niemanden im Speziellen. »Er biegt auf den Highway 26 ab. Er muss auf dem Weg zum Haus der Parrishs sein.«
Kev spürte, wie sich seine Eingeweide vor Entsetzen verkrampften. »Er bringt sie zu Ava«, folgerte er dumpf. »Wie ein Hund, der seinem Herrn einen toten Hasen vor die Füße legt.«
Die anderen wechselten Blicke. »Jetzt beruhig dich«, meinte Sean. »Vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Das Parrish-Haus ist eine Festung, voll mit Wachleuten, Hauspersonal, ihrer Familie. Er kann unmöglich –«
»Ava Cheung ist seit sechs Stunden in diesem Haus«, unterbrach Kev ihn. »Sie hat eine X-Cog-Krone. Sie könnten längst alle tot sein. Problemlos. Hast du eine Ahnung, was man mit einer solchen Krone anstellen kann?«
Sean schaute ihn eine Sekunde lang kühl an. »Ja, Bruder«, bestätigte er. »Ich weiß, was man mit einer solchen Krone anstellen kann. Das letzte Mal, als ich eine trug, hätte ich um ein Haar meine Frau mit einem Schweißbrenner umgebracht. Darum achte auf deinen verdammten Tonfall.«
Kev murmelte eine Entschuldigung, während er sich an die vagen Andeutungen in Bezug auf Seans eigene Erlebnisse mit Osterman und dem X-Cog erinnerte. Eine der vielen Geschichten, die zu erzählen keine Zeit gewesen war. Wer wusste, ob es sie noch geben würde?
Die Minuten verstrichen mit quälender Langsamkeit, während Bruno alles aus dem Mercedes herausholte. Seans Handy klingelte wieder. Er lauschte. »Marr ist vom Highway 26 abgefahren. Er ist jetzt auf dem Cedar in südlicher Richtung unterwegs«, verkündete er. »Er braucht noch sechs Minuten bis zum Parrish-Anwesen.«
Und sie selbst hatten noch eine weite Strecke vor sich. »Gottverdammt, Bruno!«, bellte Kev. »Kannst du dieser Kiste nicht etwas mehr Dampf unterm Hintern machen?«
Mit röhrendem Motor rasten sie durch das bleiche Morgengrauen.
Der Stich fühlte sich an wie der Biss einer Spinne. Edies Bewusstsein schaltete in Leerlauf, als die kalte Taubheit sich ausbreitete, dicht gefolgt von einem Sog, der immer stärker wurde. Jeder Muskel war verkrampft und zerrte an den anderen, die bis zum Zerreißen überstreckt waren. Ihr Rücken war durchgebogen, ihr Gesicht eine Grimasse der Pein. Sie würde auseinandergesprengt, wenn sie auch nur eine Bewegung machte. Ihre Knochen würden brechen, ihre Sehnen reißen. Ihre Lungen kämpften darum, sich auszudehnen. Oh Gott. Luft.
Bitte
.
Ava kam näher und lehnte sie gegen die Wand, während sie irgendein Instrument an Edies Kopf befestigte und die herabhängenden Metallsensoren anbrachte. Der verzweifelte Drang nach Luft nahm immer weiter zu. Sie drohte zu ersticken.
Ihr wurde schwarz vor Augen. Die gesegnete Bewusstlosigkeit nahte.
»Musst du atmen?«, fragte Ava. »Brauchst du ein bisschen Hilfe?«
Die Frau drang wie ein Rammbock in Edies Geist vor. Sie taumelte unter der Attacke wie unter einem Giftgasanschlag. Es gab keine Möglichkeit, sie auszusperren.
Ava weitete Edies Lungen für sie. Ihr Brustkorb zuckte krampfartig. Die Luft, die in ihre engen, blockierten Lungen gezwungen wurde, tat weh.
Kev hatte ihr erzählt, wie die X-Cog-Krone funktionierte. Aber sie hatte ja keine Ahnung gehabt. Sie fühlte sich von Tod umgeben. Von eisigem, fauligem, giftigem Hass. Der Druck in ihren Augen, ihrem Hirn wurde unerträglich. Ihr Herz musste sich furchtbar abplagen.
Des hastete zum Fenster. »Draußen ist ein Wagen«, sagte er.
Ava wirkte beunruhigt. »Es ist zu früh für die zweite Wachschicht.«
»Ich werde nachsehen.« Des zückte seine Waffe. »Kommst du allein zurecht? Denk daran, was heute passiert ist. Werde bloß nicht übermütig.«
»Machst du
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