Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Macht der Angst (German Edition)

Die Macht der Angst (German Edition)

Titel: Die Macht der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
Vom Netzwerk:
Fall der Stoffe, die sich um seinen Körper schmiegten, brachte sie trotzdem zum Vorschein. Er würde in allem gut aussehen. Auch seine Hände waren bildschön. Seine langen, anmutigen Finger. Und seine breite Brust. Edie hatte die kontrollierte Kraft, die in ihm schlummerte, schon bei ihrem ersten Händeschütteln gespürt.
Oh Mann
.
Konzentrier dich, Edie
.
Konzentrier dich
.
    Kev wirkte ungeheuer befangen, und Edie verspürte einen Anflug von Zärtlichkeit. Sie schlug eine leere Seite in ihrem Skizzenbuch auf, dann saß sie einen Moment da und ließ die Füllerspitze in der Luft verharren, dankbar dafür, sich nicht beeilen, nicht hetzen zu müssen. Sie war es gewöhnt, mit so wenigen Strichen wie möglich auszukommen. Aber heute nicht. Heute würde sie es auskosten. Sich Zeit lassen.
    Mit dem überwältigenden Gefühl, das Richtige zu tun, senkte sie den Stift auf das Papier, und fast augenblicklich verschwand die zögerliche, nervöse Edie, und etwas Größeres, Stärkeres trat an ihre Stelle. Etwas Furchtloses und unsagbar Befreites.
    Sie hatte Fade Shadowseeker Tausende Male gezeichnet, weil es sie glücklich machte. Kev Larsen war bis ins Detail Fades Spiegelbild, trotzdem war es unendlich befriedigender für sie, Kev zu zeichnen. Er verströmte mit jeder Pore diese maskulinen, charismatischen Schwingungen, sodass sie nicht erst Bilder aus den Tiefen ihres Gedächtnisses hervorkramen und sie mithilfe ihrer Fantasie aufpeppen musste. Er war hier, in ihrer Wohnung, und lieferte ihr unendlich viele Ansatzpunkte für dieses Bild und tausend weitere.
    Edie war daran gewöhnt, sehnsuchtsvoll im Halbdunkel zu tappen. Nach etwas zu hangeln, das flüchtig war wie Rauch. Aber Kev war real und solide wie ein Fels. Und er war hier.
    Es machte ihr so viel Spaß, die Details zu erfassen, dass sie kaum merkte, wie sich das innere Auge öffnete. Es geschah völlig fließend, als eine Erweiterung ihrer natürlichen Wahrnehmung. Sie konzentrierte sich auf die Breite seines Rückens und seiner Schultern, auf die elegante Kontur seines Wangenknochens unter dem marmorierten Geflecht seiner Narben. Sie skizzierte seine Nase, die Furchen, die seinen Mund einrahmten. Und immer wieder seine Augen, in dem Bestreben, ihren hellen Glanz einzufangen, diesen fabelhaften Effekt reflektierten Lichts. Aber sie wollte mehr, wollte das Muster seiner Körperhaare, die Umrisse seiner Brustwarzen, die Form seiner Hüften in der lässig sitzenden Hose. Sie wollte all das, und zwar …
jetzt
.
    »Könntest du den Pulli ausziehen?«
    Die Worte entschlüpften ihr einfach, in dem geistesabwesenden Tonfall eines Künstlers, der eine Bitte an ein professionelles Model richtete. Dann dämmerte ihr, wie provokativ sie für ihn klingen mussten. Kev war kein professionelles Model eines Künstlers. Er reagierte überrascht.
    »Vergiss es«, ruderte sie hastig zurück. Ihre Wangen glühten. »Lass es einfach.«
    »Nein, nein, das ist okay«, murmelte er, aber er wirkte nervös und beklommen, als er an den Bund seines Pullovers fasste. Edie wollte ihn stoppen, als er sich das Kleidungsstück bereits mit einem Ruck über den Kopf zog. Zu spät.
    Was sie hatte sagen wollen, blieb ihr im Hals stecken. Dann vergaß sie es.
    Sein Körper war von Narben übersät. Er war so schlank, dass jede Sehne, jeder Muskel zur Geltung kam. Ein unregelmäßiges Eisblumenmuster silbriger Narben überzog seine gesamte Brust. Jemand hatte ihn geschnitten. Und gebrannt.
    Edie begann zu zittern.
    Dabei war es keine Überraschung. Sie hatte gesehen, in welcher Verfassung er war, an jenem Tag vor achtzehn Jahren. Seine blutenden Wunden, seine Brandblasen. Sogar das behütete Kind, das sie damals gewesen war, hatte begriffen, dass er geschnitten und gebrannt worden war.
    Nur war ihr nicht klar gewesen, wie schlimm. Bis jetzt.
    Diese schreckliche Erkenntnis durchdrang ihren Schutzschild und fuhr ihr direkt ins Herz. Ihre Kehle wurde heiß und eng, ihr Blick verschwommen. Der Stift schwebte über dem Papier, auf seinen nächsten Befehl wartend. Kev glitt abwechselnd in Edies Fokus und wieder hinaus.
    »Ich ziehe ihn wieder an«, sagte er. »Ich wollte dich nicht aus der Fassung bringen.«
    »Nein«, murmelte sie tonlos. Tränen waren auf das Papier gefallen und hatten die Linie seines Kinns verwischt. Edie schlug eine frische Seite auf und rieb sich mit der Rückseite ihrer Finger über die Augen. An ihren schwarzen Knöcheln erkannte sie, dass sie sich Tinte ins Gesicht geschmiert haben

Weitere Kostenlose Bücher