Die Macht der Angst (German Edition)
musste, aber damit konnte sie sich jetzt nicht aufhalten. »Lass es mich bitte zu Ende bringen.«
Sie atmete tief durch und rückte ihre Emotionen beiseite, um sich dem zu öffnen, was die Zeichnung wollte. Und als sie das tat, erreichte die pulsierende Wahrnehmung plötzlich die Ausläufer ihres Bewusstseins.
Der Empfangsmast war einsatzbereit. Und das schon seit einer ganzen Weile. Aber das hier unterschied sich eklatant von ihren sonstigen Erfahrungen.
Edie fing keine mentale Statik auf, weil Kev keine aussendete. Er war weder besessen von seiner Vergangenheit noch besorgt um seine Zukunft. Sein Geist war klar und scharf. Zielgerichtet wie ein Laserstrahl. Vollkommen und ausschließlich konzentriert auf … sie.
Ihre Lungen erstarrten zu Eis, ihre Oberschenkelmuskeln verhärteten sich. Konzentriert auf
sie
. Sie war das Einzige, was seine Gedanken und Gefühle beherrschte. Die Gewissheit brandete durch sie hindurch, jede Welle türmte sich höher und gewaltiger auf. Sie. Edie.
Seine Miene änderte sich nicht. Sein Mund zeigte keine Regung. Er sah sie nicht an. Das Bauchgefühl sagte Edie, dass er sich nicht traute. Er legte die Hände auf die Knie, ballte die Fäuste und lockerte sie wieder. Jedes Anspannen übertrug sich auf die straffen, sehnigen Muskeln seiner Arme und Schultern.
Verlangen. Brennende Begierde. Seine Empfindung löste bei Edie eine Rückkopplung aus. Sie nahm sich aus seiner Warte wahr. Ihren Geruch, ihren Körper, ihre Haare, ihre Augen, ihre Hände durch die Linse seiner Sensorik, seiner Gefühle. Seinen Hunger, sie zu berühren, sie zu erobern. Sie zu nehmen.
Sie konnte es kaum begreifen. Er wollte sie. Die schüchterne, unscheinbare Edie. Sie hatte sich nie für begehrenswert gehalten. Für ganz passabel vielleicht, an einem guten Tag, wenn jemand ihr bei der Kleiderwahl half. Aber sie versuchte nur selten, Aufmerksamkeit zu erregen. Den Großteil ihres Lebens hatte sie ihre Unsichtbarkeit kultiviert. Sie hatte keine Erfahrung im Umgang mit wildem Verlangen. Seine Begierde stachelte ihre eigene an, das Gefühl so brennend, dass sich ihr fast ein Wimmern entrang.
Edie versuchte zu atmen. Ihre Lungen waren blockiert.
Die Sehnen an seinem Hals zeichneten sich ab. Die Luft wurde kühler, denn die Sonne war im Untergehen begriffen. Zwielicht drängte ins Zimmer und saugte den goldenen Schein heraus.
Eine Gänsehaut erfasste seinen Oberkörper. Seine Brustwarzen waren hart und dunkel. Edie stellte sich vor, über seine Brust zu streicheln und diese festen Nippel unter ihren Handflächen zu spüren, während sie sich nach unten beugte, um sie mit Lippen und Zunge zu kosten.
Er fühlte es. Sie erkannte es daran, wie sein Adamsapfel hüpfte und wie er die Fäuste ballte. Seine Reaktion beflügelte ihre, sie verschärfte die Rückkopplung und versetzte sie in flirrende Vibrationen.
Dann der nächste Schock: Kev fing ihre Empfindungen ebenfalls auf. Ihre Augen zuckten nach unten, um festzustellen, ob er … ja, definitiv.
Er bemerkte es. Seine Unterarme hatten diskret auf seinen Oberschenkeln geruht, doch als er ihren forschenden Blick registrierte, klappte er die Hände nach außen, damit sie seine Erektion sehen konnte, die sich, gefangen in der Jeans, gegen seinen Schenkel schmiegte. Es war kein Raum für Geheimnisse in diesem flimmernden Energiefeld purer, nackter Emotion und Sinnlichkeit, das sie beide umfing.
Jedenfalls stellte sich damit nicht länger die Frage, ob Kev mit offenen Karten spielte. Das könnte er nicht vortäuschen. Die Macht seines Verlangens stürmte mit voller Wucht auf sie ein. Irgendwie war es schön, sich nicht fragen zu müssen, ob der Mann einfach nur, nun ja, höflich war.
Edie befeuchtete sich die Lippen. »Du kannst deinen Pulli jetzt wieder anziehen«, schlug sie mit bebender Stimme vor. »Dir muss kalt sein.«
»Mir ist nicht kalt.«
Als sie ausatmete, klang es wie ein zittriges Seufzen. »Okay, lass es mich anders ausdrücken. Du solltest deinen Pullover anziehen, weil
mir
sonst nämlich
heiß
wird.«
Kev schaute sie einfach nur an. Seine Kehle arbeitete.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich konnte keine Hinweise auf deine Vergangenheit, deine Zukunft oder etwas anderes finden. Das Einzige, was ich wahrnahm, war … äh …«
»Ja. Ich weiß, was du wahrgenommen hast.«
Sie lief feuerrot an. »Es war ziemlich intensiv.«
»Ich konnte es nicht unterdrücken«, gestand er. »Ich wollte dich nicht ängstigen.«
»Das hast du nicht«, sagte sie
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