Die Macht der Disziplin
Diät sorgte wiederum dafür, dass sie sich eher auf äußere als auf innere Signale verließen. Denn was ist eine Diät anderes als eine Reihe äußerlicher Regeln? Wer Diät hält, richtet sich nach einem Plan, nicht nach seinem Hungergefühl. Diät zu halten bedeutet, oft Hunger zu haben (auch wenn die Werbung das Gegenteil suggeriert).
Genauer gesagt bedeutet eine Diät, nicht zu essen, wenn Sie Hunger haben, und das Hungergefühl am besten zu unterdrücken. Das heißt vor allem, das Startsignal des Essens zu unterdrücken, aber da Start und Stopp zusammenhängen, verlieren Sie auch den Kontakt zum Stopp-Signal, vor allem wenn die Diät genaue Mengenvorgaben beinhaltet. Sie essen nach Regeln, was hervorragend funktioniert, solange Sie sich an sie halten. Aber sobald Sie die Regeln brechen – und das passiert unweigerlich früher oder später –, verlieren Sie die Orientierung. Deshalb essen Menschen, die Diät halten oder übergewichtig sind, nach zwei riesigen Milchshakes nicht nur weiter, sondern sie essen mehr. Ihre Mägen sind voll, aber sie fühlen sich nicht satt. Sieverfügen nur über diese eine klare Regel, und wenn sie die erst einmal gebrochen haben, gibt es kein Halten mehr.
Nun könnten Sie einwenden, dass sich daraus nur eine Lektion ziehen lässt: Wer eine Diät macht, sollte nicht an Experimenten mit Milchshakes teilnehmen. Wären die Teilnehmer nicht ins Labor gegangen und hätten dort diese Kalorienbomben zu sich genommen, dann hätten sie ihre Diät nicht gebrochen. Wenn sie sich immer an die Regeln halten und nie ihr Tageslimit überschreiten, würden sie nie dem Scheißegal-Effekt zum Opfer fallen. Sie hätten zwar Hunger, aber sie würden nie in eine Fressorgie verfallen, solange sie den Willen haben, sich an die Regeln zu halten.
Das klingt ganz vernünftig, bis man den Willen der Diäthalter mit Kinofilmen, Eis und M&Ms auf die Probe stellt, wie dies Kathleen Vohs und Todd Heatherton taten. Die Psychologen rekrutierten junge Frauen, durchweg chronische Diäthalterinnen, und drückten kräftig auf ihre Tränendrüsen, indem sie ihnen eine besonders schmalzige Szene aus dem Film
Zeit der Zärtlichkeit
zeigten. Die Hälfte der Testpersonen sollte ihre emotionalen Reaktionen unterdrücken, die andere durfte ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Danach sollten sie einen Fragebogen zu ihrem Gemütszustand ausfüllen und schließlich eine scheinbar nicht damit zusammenhängende Aufgabe lösen und den Geschmack verschiedener Eiscremes bewerten. Die Wissenschaftler setzten den Testpersonen das Eis in unterschiedlich großen und nicht ganz gefüllten Behältern vor, um ihnen den Eindruck zu vermitteln, dass niemand mitbekommen würde, wie viel Eis sie aßen.
Natürlich wurden die Behälter vorher und nachher genauestens gewogen. Dabei stellten die Wissenschaftler keinen Zusammenhang zwischen der Stimmung der Teilnehmerinnen und der verzehrten Eismenge fest. Das Entscheidende war ihr Wille: Frauen, die während des Films ihre Emotionen unterdrücken mussten, fiel es schwerer, ihren Appetit zu zügeln. Nachdem sie ihre Willenskraft schon während des Films geschwächt hatten, aßen sie rund 50 Prozent mehr Eis als die Frauen, die während des Films nach Herzenslust weinen durften. Essenund Diäthalten werden also von Dingen beeinflusst, die scheinbar nichts mit ihnen zu tun haben. Wenn Ihre Willenskraft geschwächt wird, weil Sie während eines Films Ihre Tränen zurückhalten mussten, schlagen Sie sich später in einem scheinbar völlig anderen Kontext eher den Bauch voll.
In einem anderen Test wurden junge Frauen auf Diät mit einer vollen Schüssel M&Ms in Versuchung geführt, während sie einen Tierfilm über Schafe sahen (der nicht auf die Tränendrüsen drückte). Einige der Frauen hatten die Schüssel direkt vor die Nase, weshalb sie dauernd der Versuchung widerstehen mussten; die übrigen mussten aufstehen und den Raum durchqueren, um an die Süßigkeiten zu kommen. Später, in einem anderen Raum, in dem kein Essen in Sicht war, sollten die Frauen unlösbare logische Aufgaben bearbeiten, mit denen im Labor oft die Selbstdisziplin gemessen wird. Solche Teilnehmerinnen, die direkt vor den Süßigkeiten gesessen hatten, warfen eher das Handtuch als die anderen, was bedeutet, dass ihr Wille geschwächt worden war, weil sie der Versuchung hatten widerstehen müssen. Wenn Sie Diät halten und Ihre Selbstdisziplin wahren wollen, sollten Sie also die Nähe zu Süßigkeiten vermeiden. Selbst wenn
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