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Die Macht der Disziplin

Die Macht der Disziplin

Titel: Die Macht der Disziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Baumeister
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Willensanstrengung erfordern, aber welcher Teil kostet am meisten Kraft? Sind es vor allem die Überlegungen vor der Entscheidung? Zu diesem Zeitpunkt waren Twenge und einige ihrer Forscherkollegen durch das lange laufende Projekt recht erschöpft, doch für die Entscheidung, ob die Arbeit in der führenden Fachzeitschrift publiziert werden würde, beharrten die Herausgeber auf weiteren Antworten. An dieser Stelle nahm die als »Vollstreckerin« bekannte Kathleen Vohs die Zügel in die Hand. Sie entwickelte ein Experiment mit der Website von Dell Computers, auf der sich Kunden einen Computer ganz nach ihren individuellen Wünschen zusammenstellen können. In dem Experiment sollten die Teilnehmer auf der Website die Größe der Festplatte, die Art der Bildschirms und so weiter auswählen und sich ihren Wunschcomputer bauen, ohne allerdings am Ende einen Kauf zu tätigen.
    Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen eingeteilt. Die einen sollten sich einen Überblick über die Optionenund Preise verschaffen und sich eine Meinung bilden, aber keine Wahl treffen. Hier sollte es lediglich darum gehen, die Vorentscheidung zu simulieren, aber ohne eigentliche Entscheidung.
    Die Teilnehmer der zweiten Gruppe erhielten eine Liste mit bereits ausgewählten Eigenschaften und sollten den Computer zusammenstellen. Schrittweise mussten sie in der Vielfalt der Optionen die entsprechenden Eigenschaften ausfindig machen und anklicken, bis der Computer vollständig zusammengestellt war. Sie sollten mit anderen Worten all das tun, was in die Nachentscheidungsphase fällt, in der die Entscheidung umgesetzt wird.
    Die Angehörigen der dritten Gruppe schließlich mussten entscheiden, aus welchen Teilen ihr Computer zusammengebaut werden sollte. Sie hatten sich also nicht nur einen Überblick über die Möglichkeiten zu verschaffen oder die Entscheidungen anderer umzusetzen, sondern sie mussten selbst würfeln. Das erwies sich als die anstrengendste Aufgabe von allen. In einem anschließenden Ausdauertest, in dem die Teilnehmer Anagramme lösen sollten, gaben die Entscheider eher auf als die Angehörigen der beiden anderen Gruppen. Die Überquerung des Rubikons bedeutet geistige Schwerstarbeit – egal ob wir über die Zukunft eines Weltreiches entscheiden oder über die Größe einer Festplatte.
    Aber was, wenn die Optionen leichter und attraktiver sind als der Beginn eines Bürgerkrieges oder das Innenleben eines Computers? Was, wenn Sie den Auswahlprozess als angenehm empfinden? Zehrt er auch dann an Ihrer Willenskraft?
    Dieser Frage gingen Wissenschaftler mit einer Abwandlung des Hochzeitstischs nach, nur dass diesmal die Teilnehmer die unterschiedlichsten Einstellungen zu ihrer Aufgabe mitbrachten. Einige der jungen Männer und Frauen widmeten sich der Auswahl ihrer Hochzeitsgeschenke mit deutlich mehr Begeisterung als Twenge. Vorher gaben sie an, dass sie sich darauf freuten, ihre Geschenke auszuwählen, und auch nachher erklärten sie, das Erlebnis genossen zu haben. Andere Teilnehmer des Experiments gaben dagegen an, sie hätten nurwenig Lust darauf, sich zwischen verschiedenen Geschirrservice, Bestecken und Haushaltsgeräten zu entscheiden.
    Wie zu erwarten, waren diejenigen, die den Prozess als angenehm empfanden, am Ende weniger erschöpft – aber auch ihre Willenskraft hatte ihre Grenzen. Wenn die Teilnehmer eine kurze Liste erhielten, die sie in vier Minuten abarbeiten konnten, dann stellte dies für die begeisterten Geschenkeaussucher noch keine Anstrengung dar, während sich die Hochzeitstisch-Verächter bereits nach dieser kurzen Übung ermattet zeigten. Aber als die Liste länger wurde und der Test sich über zwölf Minuten hinzog, erwiesen sich am Ende beide Gruppen in Ausdauertests als gleichermaßen ausgelaugt. Ein paar angenehme Entscheidungen treffen wir mühelos, aber langfristig hat offenbar jede Entscheidung ihren Preis – zumindest, wenn wir sie für uns selbst treffen.
    Entscheidungen für andere zu treffen, scheint dagegen weniger mühsam. Während Sie über der Auswahl Ihrer eigenen Couchgarnitur schwitzen, kostet Sie die Dekoration des Wohnzimmers eines Bekannten kaum Mühe. Es mag Ihnen zwar schwerfallen, den Sesselbezug für einen Menschen auszuwählen, dessen Geschmack Sie nicht kennen, aber diese Schwierigkeit wird offenbar dadurch wettgemacht, dass Ihnen das Resultat weniger wichtig ist – Sie müssen schließlich nicht mit dem rosa Velours leben. Das andere Ufer des Rubikons wirkt

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