Die Macht der Disziplin
Alkoholmissbrauch. Zur Durchsetzung gesunder Verhaltensweisen ist zwar Willenskraft erforderlich – daher sind Menschen mit starkem Willen auch eher dazu in der Lage –, aber sobald sich die Gewohnheiten eingeschliffen haben, erfordern sie keine Anstrengung mehr.
Eine weitere unerwartete Erkenntnis ist die Tatsache, dass sich die Selbstdisziplin am stärksten auf die Leistung am Arbeitsplatz und in der Schule auswirkt, und am wenigsten auf die Ernährung. Obwohl Menschen mit relativ großer Selbstdisziplin ihr Gewicht effektiver kontrollieren, wirkt die Disziplin hier deutlich schwächer als in anderen Lebensbereichen. (Warum das so ist, und warum Diäten sinnlos sind, werden wir später noch sehen.) Ihre Selbstdisziplin hilft ihnen bei der emotionalen Anpassung (Glück, Selbstbewusstsein und Vermeidung von Depression) und im Umgang mit Freunden, Partnern und Verwandten. Am deutlichsten beeinflusste sie jedoch den Erfolgin Schule und Beruf, was einmal mehr unterstreicht, dass sich erfolgreiche Menschen vor allem auf gute Gewohnheiten verlassen. Einser-Schüler pauken nicht vor einer Prüfung die ganze Nacht hindurch, sondern lernen das ganze Jahr über regelmäßig. Und Arbeitnehmer und Selbstständige, die über einen langen Zeitraum hinweg konstant arbeiten, sind langfristig erfolgreicher.
In der Professorenzunft ist die Festanstellung beispielsweise eine große Hürde, und an den meisten Universitäten in den Vereinigten Staaten müssen Nachwuchswissenschaftler originelle und qualitativ hochwertige Veröffentlichungen vorlegen, um eine solche Stelle zu erhalten. Bildungsforscher Robert Boice 118 untersuchte die Schreibgewohnheiten angehender Professoren und verfolgte ihre weitere Entwicklung. In einem Arbeitsumfeld ohne Vorgesetzte und Vorgaben entwickelten die Jungakademiker unterschiedliche Strategien, um sich selbst zu organisieren. Die einen recherchierten so lange, bis sie sämtliche Informationen zusammenhatten, und setzten sich dann hin, um das Manuskript auf einen Rutsch zu schreiben und dabei die eine oder andere Nachtschicht einzulegen. Andere schrieben dagegen konstant jeden Tag ein oder zwei Seiten, wieder andere wählten einen Ansatz irgendwo dazwischen. Als Boice die Nachwuchsakademiker Jahre später ein zweites Mal befragte, hatten sie sich sehr unterschiedlich entwickelt. Diejenigen, die jeden Tag ein paar Seiten geschrieben hatten, waren inzwischen fest angestellt. Die anderen hatten dagegen weniger Erfolg gehabt und viele arbeiteten gar nicht mehr an der Universität. Man kann angehenden Professoren und Schriftstellern also einen guten Rat mit auf den Weg geben: Schreiben Sie jeden Tag. Nutzen Sie Ihre Selbstdisziplin, um sich das Schreiben zur Gewohnheit zu machen, und Sie werden langfristig mit weniger Aufwand mehr produzieren.
Wir verbinden das Wort Willenskraft oft mit einmaligen Heldentaten: Wir legen am Ende eines Marathonlaufs einen Spurt hin, erdulden die Schmerzen der Geburt, stehen eine Verletzung durch, bewältigen eine Krise, widerstehen einer scheinbar unwiderstehlichenVersuchung und schaffen eine unmögliche Deadline. Selbst die kritischsten Biografen lobten Stanleys kreative Schübe kurz vor einem Abgabetermin. Nachdem er die schreckliche Expedition durch den Ituri-Regenwald überlebt hatte und in die Zivilisation zurückgekehrt war, schrieb er innerhalb kürzester Zeit seinen internationalen Bestseller
Im dunkelsten Afrika
. Von 6 Uhr morgens bis 11 Uhr abends saß er am Schreibtisch und schrieb in 50 Tagen ganze 900 Seiten nieder. Aber er wäre nie dazu in der Lage gewesen, wenn er nicht während der gesamten Expedition ausführliche Notizen gemacht und ordentlich Tagebuch geführt hätte. Sein Tagebuch war ihm genauso eine Angewohnheit wie seine morgendliche Rasur; so konnte er Tag für Tag schreiben und sich seine Willenskraft für die nächste unangenehme Überraschung im Dschungel aufsparen.
Rettungsanker und Leuchttürme
Im Alter von 33 Jahren, kurz nachdem er Livingstone aufgespürt hatte, verliebte sich Stanley. Bis dahin war er überzeugt gewesen, kein Glück bei Frauen zu haben, doch da er nach seiner Rückkehr nach London plötzlich eine Berühmtheit war, verbesserten sich auch seine Aussichten beim anderen Geschlecht. In London lernte er eine Amerikanerin namens Alice Pike kennen. Sie war erst 17 Jahre alt und hatte, wie er in seinem Tagebuch notierte, »keine Ahnung von afrikanischer Geografie und ist auch ansonsten reichlich ungebildet«. Doch er war über
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