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Die Macht der Disziplin

Die Macht der Disziplin

Titel: Die Macht der Disziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Baumeister
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Geld und die Bank überwies den gesamten Betrag an eine gemeinnützige Einrichtung. Aus finanzieller Sicht war es für die Raucher ein schlechtes Geschäft. Hätten sie ihr Geld auf ein einfaches Sparkonto eingezahlt, dann hätten sie wenigstens Zinsen dafür bekommen. Aber nicht nur, dass sie keine Zinsen erhielten, sie liefen außerdem Gefahr, alles zu verlieren – und tatsächlich bestand mehr als die Hälfte der Teilnehmer den Test nach sechs Monaten nicht. Das Bedürfnis nach dem Glimmstängel war so überwältigend, dass die meisten Raucher ihm nachgaben, obwohl sie wussten, dass sie damit das gesamte Geld verloren.
    Die gute Nachricht war, dass viele Raucher tatsächlich ganz mit dem Rauchen aufhörten und auch nach den sechs Monaten nicht wieder damit anfingen. Nach der Urinprobe endete das Programm offiziell, die Teilnehmer hatten keine Ahnung, dass sie weiter beobachtet werden würden. Doch die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob der Effekt ihres Programms von Dauer war, und baten die Teilnehmer ein halbes Jahr später überraschend zu einem weiteren Test. Auch nach dem Wegfall des finanziellen Anreizes wirkte das Programm nach: Verglichen mit einem Kontrollprogramm ohne freiwillige Selbstverpflichtung besaß dieses Programm auch nach einem Jahr noch eine um 40 Prozent höhere Erfolgsquote. Der zeitlich befristete Anreiz hatte also eine dauerhafte Verhaltensänderung bewirkt. Was als Selbstverpflichtung begann, wurde zu einer Gewohnheit.
    Das Gehirn auf Autopilot
    Stellen Sie sich vor, Sie sind Henry Morton Stanley und wachen an einem besonders finsteren Morgen auf. Sie quälen sich aus Ihrem Zelt im Regenwald. Es ist natürlich dunkel. Es ist schon seit Monaten dunkel. Ihr Magen, der schon auf früheren Expeditionen von Parasiten, Krankheiten und gewaltigen Mengen von Chinin und anderen Medikamenten zerfressen wurde, drückt Sie noch furchtbarer als sonst. Sie und Ihre Männer müssen sich von Beeren, Wurzeln, Pilzen, Würmern, Raupen, Ameisen und Schnecken ernähren – wenn Sie denn welche finden. Vor ein paar Tagen haben Sie Ihren Esel erschossen, um Ihrer Gruppe eine Mahlzeit zu gönnen. Die halb verhungerten Männer haben jede Faser des Tieres verschlungen, sich am Ende um die Hufe gestritten und noch das Blut vom Boden aufgeleckt, ehe es in der Erde versickerte.
    Dutzende Ihrer Begleiter sind von Hunger, Krankheiten und eiternden Wunden so geschwächt, dass Sie sie auf einer Lichtung zurückließen, die von Ihren Männern nur »das Hungerlager« genannt wird. Sie befürchten, dass sich Ihr eigenes Lager nicht allzu sehr von diesem Hungerlager unterscheidet, und malen sich in schrecklichen Details aus, wie Sie und die anderen zusammenbrechen und elendig im Urwald sterben. Sie stellen sich vor, wie die Insekten auf jeden toten Körper reagieren: »Noch bevor er kalt ist, kommt erst ein ›Scout‹, dann noch einer, dann ein Dutzend und schließlich Tausende wilder gelber Aasfresser in ihren glänzenden Hornrüstungen. In einigen Tagen sind nur noch ein paar Lumpen und ein glänzender, weißer Schädel übrig.«
    Aber noch sind Sie nicht tot. Sie haben zwar nichts zu essen, aber noch sind Sie am Leben. Jetzt, da Sie aufgestanden sind und dem ersten Ruf der Natur gefolgt sind, was tun Sie?
    Für Stanley war die Antwort einfach: Er rasierte sich. Einer seiner Diener in England erinnerte sich später: »Er hat mir oft erzählt, dass er es sich auf seinen Expeditionen zur Regel gemacht habe, sich jedenMorgen zu rasieren. Im Urwald, im Hungerlager, am Morgen vor einer Schlacht – er hat sich immer an diese Gewohnheit gehalten, egal wie schwierig die Umstände waren. Er hat mir erzählt, wie oft er sich mit kaltem Wasser oder mit stumpfen Rasiermessern rasiert hat.« Aber warum sollte sich jemand, der dem Hungertod ins Auge sieht, auf seiner morgendlichen Rasur bestehen? Als wir Stanleys Biografen nach dieser extremen Korrektheit im Dschungel befragten, meinte Jeal, es sei ein typischer Ausdruck seines Ordnungssinns gewesen.
    »Stanley legte großen Wert auf sein Äußeres, auch bei seinen Kleidern. Er legte großen Wert auf eine klare Handschrift in seinen Tagebüchern und Briefen und hielt seine Sachen in Ordnung«, erklärte Jeal. »Er lobte eine ähnliche Ordentlichkeit bei Livingstone. Diese Ordnung war ein Gegengift gegen das zerstörerische Chaos der Natur.« Stanley gab eine ähnliche Erklärung dafür, warum er sich im Urwald rasierte: »Ich habe immer ein möglichst anständiges Äußeres

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