Die Macht der Disziplin
Auftragskillerin ende.
Mary Karr
122 , in ihren Memoiren
Lit
I n den Momenten, in denen Eric Clapton an Selbstmord dachte, in denen ihm Geld und Ruhm und Musik nichts mehr bedeuteten, hielt ihn nur ein Gedanke am Leben: Wenn er sich umbrachte, konnte er keinen Alkohol mehr trinken. Der Alkohol war seine große Liebe, auch wenn er nebenbei Affären mit Kokain, Heroin und allen möglichen anderen Drogen hatte. Als er sich zum ersten Mal mit Ende dreißig in eine Entziehungsklinik begab, erlitt er während der Entgiftung einen Anfall, weil er die Ärzte nicht informiert hatte, dass er Valium genommen hatte – diese »Hausfrauendroge« erschien ihm so lächerlich, dass er sie keiner Erwähnung wert fand.
Nach diesem Aufenthalt in der Drogenklinik blieb Clapton einige Jahre lang trocken. Aber als er eines Sommerabends auf dem Weg nach Hause an einem überfüllten Pub vorbeifuhr, hatte er einen Einfall: »Mein selektives Gedächtnis sagte mir, dass es das Paradies war, an einem Sommerabend mit einem großen Glas Bier in der Hand am Tresen zu stehen«, erinnert er sich. »Die Nächte, in denen ich mit einer Flasche Wodka, einem Gramm Koks und einer Pistole zu Hause saß und über Selbstmord nachdachte, hatte ich vergessen.«
Also bestellte er ein Bier. Es dauerte nicht lange, und er war wieder bei den Gelagen und Selbstmordgedanken angelangt. Während einer besonders schlimmen Nacht schrieb er »Holy Mother«, ein Lied, in dem er um göttlichen Beistand fleht. Seine Karriere war am Ende, seine Ehe ruiniert, und er konnte nicht einmal mit dem Trinken aufhören, nachdem er im Vollrausch einen schweren Autounfall verursacht hatte. Nach der Geburt seines Sohnes ging er wieder in die Klinik, aber gegen Ende seines Aufenthalts hatte er noch immer das Gefühl, der Flasche nicht widerstehen zu können.
»Ich habe unaufhörlich an Alkohol gedacht«, schreibt er in seiner Autobiografie
Clapton
. »Ich hatte große Angst und war völlig verzweifelt.«Als er eines Nachts allein in seinem Zimmer in der Klinik einen Panikanfall hatte, sank er auf die Knie und betete.
»Ich hatte keine Ahnung, zu wem ich da eigentlich betete. Ich wusste nur, dass ich am Ende war«, erinnert er sich. »Ich hatte keine Kraft mehr, um weiterzukämpfen. Dann erinnerte ich mich daran, was ich über die Hingabe an Gott gehört hatte. Ich dachte, dazu wäre ich nie in der Lage, mein Stolz ließ es einfach nicht zu. Aber ich wusste, dass ich es allein nicht schaffen würde, also bat ich um Beistand. Ich kniete mich auf den Boden und gab mich hin.« Von diesem Moment an habe er nie mehr ernsthaft daran gedacht, Alkohol zu trinken, selbst nicht an dem furchtbaren Tag, an dem er seinen Sohn Conor identifizieren musste, nachdem dieser in New York aus dem 53. Stock gestürzt war.
In dieser Nacht in der Klinik wurde Clapton plötzlich mit Selbstdisziplin gesegnet. Wie er sie fand, ist schwieriger zu erklären als ihr Verlust. Seine Alkoholprobleme lassen sich psychologisch sehr genau erklären. Entgegen landläufiger Vorurteile lässt uns der Alkohol keine dummen und zerstörerischen Dinge tun – er enthemmt uns ganz einfach. Er reduziert unsere Selbstbeherrschung auf zweierlei Weise: Er senkt den Blutzuckerspiegel und trübt unsere Selbstwahrnehmung. Das heißt, er wirkt sich vor allem auf Verhaltensweisen aus, die mit inneren Konflikten einhergehen, also Situationen, in denen eine innere Stimme etwas will und eine andere nicht, zum Beispiel Geschlechtsverkehr mit der falschen Person, Konsum, Streit – oder noch ein Bier, und dann noch eins. Wenn Karikaturisten diese Konflikte darstellen, zeichnen sie gern ein Engelchen und ein Teufelchen, die in verschiedene Ohren flüsteren. Aber nach ein paar Schnäpsen ist das ein ungleicher Wettstreit, denn dann ist das Engelchen außer Gefecht. Wir müssen früher eingreifen, ehe das Besäufnis seinen Lauf nimmt. Das ist kein Problem, solange man sich in einer Drogenklinik befindet und das Pflegepersonal diese Aufgabe übernimmt. Aber woher soll man die Kraft nehmen, das plötzlich allein zu schaffen? Und warum verfügte Clapton nach seiner Entscheidung »sich hinzugeben« plötzlich über mehr Selbstdisziplin?
»Ein Atheist würde vermutlich sagen, dass ich ganz einfach meine Einstellung geändert habe«, meint Clapton. »Das stimmt sogar bis zu einem gewissen Punkt, aber dahinter steckt sehr viel mehr.« Seither betet er jeden Morgen und jeden Abend um göttlichen Beistand und kniet dazu nieder, da er das
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