Die Macht der Drei
vorhandenen Stoffen und einfacher Sonnenstrahlung einen großen Eichenbaum entstehen zu lassen. Damit aber ist die ursprünglich vorhandene Menge der Formenenergie keineswegs erschöpft. Im Gegenteil, sie erfährt automatisch eine Vergrößerung, denn der aus der ersten Eichel erwachsene Baum bringt neue Eicheln in großer Menge hervor.
Nach dem gleichen Grundsatz erfuhr der in dem Strahlapparat gespeicherte Vorrat an Formenenergie durch das Arbeiten des Apparats keine Schwächung, sondern er blieb dauernd auf gleichbleibender Höhe.
Zweitens muß immer wieder betont werden, daß der Strahler auf die überall im Raum vorhandene Energie nur auslösend wirkte, wie etwa der Fingerdruck gegen einen Flintenhahn auf die in der Gewehrpatrone vorhandene chemische Energie. Nur die Größe und Formgebung der strahlenden Elemente begrenzten die Wirkungen, die mit dem Apparat zu erreichen waren. Den letzten großen Strahlapparat hatte Silvester auf eine Höchstleistung von zehn Millionen Kilowatt oder dreizehn Millionen PS bemessen. Das war eine Leistung von gewaltiger Stärke, eine Energiemenge, die sich im Laufe von Stunden und Tagen ins Riesenhafte häufen konnte. Es war geboten, vorsichtig mit Maschinen von solcher Leistungsfähigkeit umzugehen, Sorge zu tragen, daß die Wucht ihres Angriffs sich nicht auf unbeabsichtigte Ziele richtete.
Es konnte nichts passieren, solange der komplizierte Apparat richtig bedient wurde, solange die Vorschriften seiner Handhabung beachtet wurden. Doch um sie zu beachten, mußte man seine Sinne beisammen haben. Man durfte nicht kopflos vor Schreck und Aufregung sein, wie es Silvester war, als er in der sechsten Stunde des vierten Tages, den die drei am Pol zubrachten, vom Strahler forteilte.
Um die vierte Stunde dieses Tages hatte Silvester den Apparat gerichtet, die neue Kurzwellensprechanlage eingeschaltet und wollte Jane von seiner Rettung Mitteilung machen. Er stellte den Strahler auf das bekannte Ziel und brachte das Bild von Janes Zimmer in Düsseldorf auf die Scheibe. Jeder Gegenstand des fernen Raumes wurde sichtbar. Nur Jane konnte er nicht finden, und auch ihr KW-Sprechgerät war nicht da.
Silvester suchte. Er ließ den Strahler Zoll für Zoll vorrücken und verfolgte mit wachsender Aufregung und Sorge das Bild auf der Scheibe, jeden Raum im Hause Termölen. Er sah jedes der ihm so wohlvertrauten Zimmer. Er erblickte den alten Herrn und Frau Luise. Er sah, wie sie bekümmert schienen und eifrig miteinander sprachen. Er verfolgte die Spuren Janes auf der Straße. Die Bilder aller der Wege und Orte, die er während seines Aufenthalts in Düsseldorf mit ihr betreten hatte, zogen auf der Scheibe vorüber. Er suchte in steigender Verwirrung und Angst, bis er nach stundenlangem Bemühen die Nachforschung entmutigt aufgeben mußte.
Atma! war sein Gedanke. Atma mußte ihm helfen. Atma besaß wohl die Mittel und Kräfte, um wiederzufinden, was er selbst mit seiner wunderbaren Entdeckung nicht zu finden vermochte. So ließ er den Strahler und lief durch die Gänge und Höhlen, bis er auf Atma traf. Er fand ihn im Gespräch mit Erik Truwor. Worte und Sätze schlugen an sein Ohr, auf die er in seiner Erregung kaum achtete.
»Zwinge, ohne zu verwunden! Gebrauche die Macht, ohne zu töten!«
»Wenn es geht, Atma. Ich will nicht morden. Doch soll ich die Macht nicht anwenden, weil Widerstrebende zu Tode kommen könnten?«
»Nein! Mit der Macht wurde uns die Pflicht, sie zu gebrauchen. Über den Gebrauch sind wir Rechenschaft schuldig. Die Größe der Macht erlaubt uns, ohne Tötung auszukommen.«
Ein zwingender Wille ging von der Gestalt des Inders aus. Seine ruhige, gleichbleibende Sprache wirkte auch auf Silvester. Bekümmert und aufgeregt war er in das Gemach getreten. Von dem einzigen Gedanken getrieben, von Atma Hilfe zu erbitten. Jetzt vergaß er seine Sorgen und Wünsche und geriet in dessen Bann. Er ließ sich nieder, um das Ende der Erörterungen abzuwarten. Atma betrachtete ihn einen kurzen Augenblick, und der Ausdruck eines tiefen Mitleids flog über sein bronzefarbenes Antlitz.
»Jane ist nicht bedroht.«
Atma sprach mit halblauter Stimme. Erik Truwor schien es kaum zu hören. Silvester empfand die Worte wie lindernden Balsam.
»Jane ist nicht bedroht.« Unhörbar wiederholte er die tröstenden Worte unzählige Male für sich selber und sank dabei immer mehr auf seinem Sessel zusammen. Eine Reaktion kam über ihn. Erst jetzt fühlte er die Anstrengungen der letzten Tage.
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