Die Macht der Dunkelheit
Obgleich der Auftrag ihnen beiden eine Beförderung eingebracht hatte, war sie doch immer noch einen Rang höher als er – sie war Sternenbruder, während er es erst zum Planetenbruder gebracht hatte. Wütend auf sich selbst starrte er auf ihren Rücken und versuchte, ihre kühle Tüchtigkeit zu bewundern. Sie war nur eine Frau, aber sie kam aus einer Kultur, in der Frauen hochgeachtet waren. Wenn er ehrlich war, mußte er zugeben, daß er keinen Mann kannte, der ein besserer, fähigerer Begleiter für diese verzweifelte Mission hätte sein können. Er mußte sich eben mit ihrem höheren Rang abfinden.
Da er im Augenblick ohnehin nichts tun konnte, hing er seinen Erinnerungen nach. Nach ihrer Rückkehr aus der Schwarmwelt waren sie beide auf Nggongga mit gleichen Rechten – die Clans wurden zwischen ihnen aufgeteilt – eingesetzt worden. Das Problem seiner zweihundert Millionen schwarzer Mitbrüder war so groß, daß es sie voll beschäftigte, und außerdem waren sie unsagbar ineinander verliebt. Vorige Nacht erst hatte sie ihn aus tiefstem Schlaf gerissen. Ehe er völlig wach war, hatte er nach ihr gegriffen, um sie zärtlich an sich zu ziehen, aber sie hatte ihn heftig gerüttelt. Die ersten Worte, die schließlich endlich haften blieben, waren: »... Erdsonde hat endlich die Umlaufbahn erreicht. Doch es ist schon fast zu spät. Thornwall sagte, das schwarze Loch verschlingt bereits ganze Planeten. Wir müssen in einer Stunde auf Xyr sein.«
Thornwall hatte sie erwartet. Schwarzlicht entsann sich seiner eigenen Worte: »Ich weiß, daß ich mich ursprünglich freiwillig gemeldet habe, aber das ist schon so lange her. Jetzt habe ich Schneefeuer, und wir arbeiten auf Nggongga großartig zusammen. Mein neuestes Projekt ist eine Anlage, unser Meerwasser zu entsalzen und ein Tal im Hochland zu bewässern.«
»Wir hatten gehofft, daß ihr eure freiwillige Meldung zurückziehen würdet, aber da sie registriert ist, durften wir euch nicht übergehen. Der Auftrag ist viel zu riskant. Das Hauptproblem entstand dadurch, daß unsere Sonde von dem Loch eingefangen und zu lange aufgehalten wurde. Ein Planet ist bereits verschlungen. Die alte Erde wird der nächste sein. Die Torexperten raten uns, das Projekt aufzugeben. Ich glaube, sie haben recht.«
Aber Schneefeuer hatte sich geweigert, den Auftrag abzulehnen. »Wir müssen den Erdbewohnern helfen«, hatte sie bestanden. Es war fast zum Streit zwischen ihnen gekommen und Thornwall hatte versucht zu schlichten und ihr die Mission auszureden. »Wir brauchen Sie beide auf Nggongga«, hatte er betont.
»Wir sind dort auch sehr glücklich«, hatte sie eingestanden. »Wir wurden es, nachdem wir einen Kompromiß schlossen. Blackie hat versprochen, über seine barbarische Einstellung hinwegzukommen, daß er mich besitzen müsse. Und ich habe versprochen, seinen Sohn zu gebären – und das werde ich auch, wenn wir von der Erde zurückkommen.«
»Sehen Sie sich erst einmal an, was das Loch mit dem Mars gemacht hat, ehe Sie sich endgültig entscheiden.« Thornwall schaltete den Projektor ein. Der Schirm wurde zum Fenster in den sternenbestreuten Raum. »Das Loch, wie es von den Instrumenten der Sonde aufgenommen wurde.« Ein grüner Pfeil deutete auf ein Nichts zwischen den Sternen. Nach einer Neueinstellung sprang ein winziger rostfarbiger Planet ins Blickfeld und schien auf den Punkt zuzutreiben, auf den der Pfeil deutete. Jetzt holte Thornwall den Planeten näher heran. Sie sahen die weiße Polkappe und dunkelrandige Krater. »Passen Sie auf, was geschieht!« mahnte Thornwall, »und vergessen Sie nicht, daß das Loch direkt auf die Erde zuwirbelt.«
Risse und Sprünge bildeten sich auf dem Planeten. Er zersprang und rotes Feuer schoß aus seinem Kern. Schwarze Brocken seiner Kruste formten sich zu einem Strudel, der sich immer schneller drehte, bis er zu einer wild rotierenden Scheibe wurde. Die einzelnen Brocken lösten sich auf. In der Mitte begann ein blauer Punkt aufzuleuchten.
»Das Loch«, flüsterte Thornwall tonlos. »Ein gigantischer implodierter Stern, nur noch wenige Kilometer im Durchmesser, aber von einer so gewaltigen Masse, daß nichts – nicht einmal das Licht – seiner Anziehungskraft entkommen kann. Was wir sehen ist nur der Trichter, der die Planetentrümmer einsaugt. Die eingefangene Masse ist zu Molekülen zerrissen, ja zu Atomen. Auf ihrem Weg durch den Sog hinaus aus dem sichtbaren Universum, beginnen die Planetentrümmer zu strahlen. Als erstes
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