Die Macht der ewigen Liebe
Gerede über uns. Ich wollte kein Risiko eingehen. Was ist denn los?«
Er senkte die Stimme, und ihr Klang hüllte mich ein. Das Pochen hinter meinen Augen setzte wieder ein, und ich ließ mich aufs Kissen zurückfallen.
»Sind wir denn nicht immer noch Freunde? Na komm, Remington!«
Der alte Spitzname sprengte ein Stück des Eisbergs ab, der sich in mir aufgetürmt hatte. »Laura«, platzte ich heraus. »Sie ist gestorben …« Mir brach die Stimme. Ich nahm einen Arm hoch und bedeckte meine Augen.
Er seufzte tief auf. »Oh Mann. Das tut mir leid, Liebes. Und? Wie hältst du dich?«
»Lucy ist am Boden zerstört«, sagte ich. »Sie gibt mir die Schuld daran. Na ja, bestimmt braucht sie nur Zeit.«
Eine Lebenszeit sollte ungefähr reichen.
»Ich habe mich nicht nach Lucy erkundigt, sondern nach dir. Wie geht es dir?«
Ihn hatte ich noch nie hinters Licht führen können. »Mir? Den Umständen entsprechend, wie man es erwarten kann, schätze ich. Mein Herz ist gebrochen.«
»Hast du sie zu heilen versucht?«
Er stellte die Frage ganz ohne Vorwurf, trotzdem fühlte ich mich sofort schuldig.
»Sie war schon zu krank«, sagte ich. Er würde annehmen, dass das hieß, dass ich sie nicht zu heilen versucht hatte, und damit kam ich klar. Was konnte Gabriel tun, wenn er es wusste? Mein Brustkorb zog sich zusammen. »Es ist egal. Hör mal, ich denke, du solltest wissen …«
Ich zögerte. Wenn ich Gabriel erzählte, dass Asher seine Gaben verlor, würde Asher vielleicht sauer. Unter Umständen war es besser, wenn er es seinem Bruder selbst erzählte. Und zwar dann, wenn er es für richtig hielt. Allerdings wollten wir am nächsten Tag nach San Francisco zurückfahren. Was, wenn Asher etwas zustieß, bevor er Gabriel informieren konnte?
»Ja?«, hakte Gabriel nach. »Was sollte ich wissen?«
»Ruf Asher an«, sagte ich. Das war mein Kompromiss. Gabriel wusste, dass etwas nicht stimmte, aber ich konnte Asher nicht hintergehen. »Bald«, setzte ich hinzu, um auf Nummer sicher zu gehen.
Einen Augenblick herrschte Stille. »Und schon wieder kümmerst du dich um andere«, sagte er, und ich wusste, er verstand. »Und wer kümmert sich um dich, Remington?«, hakte er sanft nach.
Beinahe hätte ich meine Selbstkontrolle verloren, aber nur beinahe, schließlich hatte ich mich schon vor Jahren gegen Gefühle gestählt. Ich musste ihn nur darum bitten, und schonwürde Gabriel zu uns stoßen, aber ich wollte das nicht. Ich mochte mich zwar weniger allein fühlen, wenn er da war, doch ich hätte ihn und seine Gefühle für mich ausgenutzt. Und so schlimm stand es dann doch noch nicht um mich.
Plötzlich überwältigte mich die Sehnsucht nach Gabriel. Nach all diesen Monaten hätte es nicht so schwer sein dürfen, seine Stimme zu hören und ungezwungen in unsere Freundschaft zurückzufinden. Doch Gefühle lassen sich nicht einfach abstellen. Auch ich konnte das nicht. Mir blieb nur, schleunigst das Gespräch zu beenden, ehe ich schwach wurde.
»Mir geht es gut, Gabriel. Ich bin eine Überlebenskünstlerin, das weißt du doch.«
Ich hatte scherzhaft klingen wollen, was gründlich daneben ging. Schnell verabschiedete ich mich, und Gabriel ließ es zu. Vielleicht hatte er sich daran erinnert, dass ich ihm im Grunde egal sein konnte. Vermutlich liebte er mich nach all dieser Zeit gar nicht mehr. Jeder von uns entwickelte sich weiter.
Es dauerte Stunden, bis mir einfiel, dass Gabriel ja keine Ahnung hatte, dass Asher mit mir Schluss gemacht hatte. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Hätte er mich bemitleidet, wäre ich vermutlich durchgedreht.
Vor ungefähr einer Woche waren wir nach San Francisco zurückgekehrt. Eines Morgens goss ich mir Kaffee in einen Becher und schlüpfte mit meinem Handy in der Manteltasche auf Zehenspitzen aus dem Haus. Ich hatte eine Nachricht hinterlassen, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob das überhaupt eine Rolle spielte.
Irgendwo zwischen Chicago und San Francisco hatte mich die Wut gepackt. Seit ein paar Monaten ging ich durch die Hölle. Mich hatte ein Mann abserviert, der mir zuerst die Welt versprochen hatte und dann davonmarschiert war, als er erkannte, dass diese Welt doch nicht seinen Wünschen entsprach. Meine Schwester hasste mich, weil ich unsere Mutter nicht gerettet hatte, und schnauzte mich bei jeder Gelegenheit an, als sei sie die Einzige, die einen Verlust erlitten hätte. Mitunter wäre ich am liebsten auf die beiden losgegangen, ein Drang, der manchmal fast übermächtig
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