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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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einem Spinnennetz. Als die Tropfen herabfielen und seine Haut berührten, durchliefen ihn Wellen der Wärme und Betäubung.
    Er vernahm ein Wimmern, wie von einem gequälten Tier. Es drang aus seiner eigenen Kehle. Jeder Atemzug wurde von diesem Wimmern begleitet. Erneut wogten die Metalldinger über ihm und strafften diesmal die Drähte. Er blinzelte und brauchte lange, bis er die Augenlider wieder öffnen konnte. Da war ein Spalt in der Decke, und Äste wuchsen aus ihm herunter, von denen der eine sein Blickfeld unterlief und ihm in die Nase drang; andere fesselten ihn sachte an das Bett, und wieder andere summten hinter seinem Kopf und verursachten ein Prickeln auf der Kopfhaut. Er tastete nach der Quelle des Zwickens am Nacken. Es kam ihm so vor, als ob ihm ein Haar ausgezupft würde oder daß eine einzelne winzige Ameise ihn bisse. Er stand weit darüber, war gar nicht betroffen; aber seine Hand wollte dennoch an der Stelle kratzen, wurde indessen von einem Ast an der Bewegung gehindert. Seine Sicht klärte sich für einen Augenblick, und er sah grün gestrichene Röhren, verchromte Griffe und hellblaue Ovale, die hin- und hergereicht wurden.
    »A anna eh uh«, versuchte er zu artikulieren. »Eh ee uh.« Die Lippen bewegten sich nicht. Die Zunge spielte mit etwas Süßem. Man hatte ihm ein Stück Zucker verabreicht. Vor Jahren war er einmal beim Zahnarzt gewesen – er hatte ihm ein einwandfreies Gebiß attestiert –, und er hatte einen Kaugummi bekommen, den er auf dem Heimweg kauen sollte.
    Er tauchte wieder in die Vergangenheit ein und lauschte dem Gespräch am Feuer. »Hybris«, warf ein Katholik ein.
    »Habirus«, sagte er zu sich selbst. »Hybris.«
    »Auf jeden Fall eine Schandtat…«
    »Unser Disputant ist wieder mal beim Thema. Noch immer im Besitz des Geheimnisses für unsere Vereinigung?«
    »Und hat uns über die Tiere erhoben.«
    Tiefer Schlaf.
     
    Er öffnete die Augen und spürte, daß etwas bei ihm im Bett lag. Er führte die Hand in die Leistengegend. Er hatte den Eindruck, daß ein Stück des Bettes sich gelockert und unter seine Hüfte bzw. in die Hose geschoben worden war. Er hob das Becken und zog die Hose hinunter; dann legte er sich zurück, wobei sein Gesicht einen erschrockenen Ausdruck annahm. Tränen strömten ihm aus den Augen.
    »Gott, ich danke dir«, murmelte er. Er versuchte, den Anblick zu verdrängen, aber er begleitete ihn, war ein integraler Bestandteil von ihm. Er schlug sich gegen die Schläfe, um zu überprüfen, ob er nicht doch noch träumte. Es war real.
    Er stieg aus dem Bett und zog sich das Hemd aus, so daß er sich nackt im Spiegel betrachtete. Er hatte Angst, es zu berühren, aber es richtete sich von selbst auf, und der Trieb machte ihn fast verrückt. Er hob die Arme und bearbeitete mit den Fäusten die Decke.
    »Großer Gott, allmächtiger Herr«, keuchte er. Er wäre am liebsten zur Tür hinausgelaufen und auf den Balkon getreten, um Gott-der- Schlachtenlenker zu beweisen, daß er jetzt ein richtiger Mann war, so befähigt wie jedermann, jede ihm gestellte Aufgabe zu bewältigen, einschließlich – gnädiger Gott! – der Gründung und Versorgung einer Familie.
    Er konnte nicht länger an sich halten. Er riß die Tür des Appartements auf und rannte nackt nach draußen.
    »Bei Gott!«
    Er blieb mit gesträubten Nackenhaaren stehen und drehte sich um.
    Sie stand an der Appartementtür und hatte die Haltung eines fluchtbereiten Tieres eingenommen. Sie war erst vierzehn oder höchstens fünfzehn und schlank, wobei eventuelle Rundungen unter einem pink- und orangefarbenen Sackkleid verborgen waren. Sie schaute ihn an, wie sie wohl ein tollwütiges Tier betrachtet hätte. So mußte er auch auf sie gewirkt haben. Sie wandte sich um und floh.
    Geschlagen auf der Höhe seines Triumphes, stand er mit hängenden Schultern und flachem Atem da und schaute blinzelnd dem Schemen aus brünettem Haar und bloßen Füßen nach. Seine Erektion verwandelte sich in das morgendliche Bedürfnis zu urinieren. Er warf die Hände in die Luft, kehrte in das Appartement zurück und ging ins Bad.
    Nach dem Frühstück konsultierte er den Info-Computer, wozu er sich auf einen unbequemen kleinen Stuhl hockte. Die Vorderseite des Gerätes wies grüne Lamellen auf, die sich bei seiner Annäherung öffneten. Sensorzellen starrten ihn an.
    »Ich möchte wissen, was ich tun muß, um die Stadt zu verlassen«, formulierte er sein Anliegen.
    »Warum willst du die Stadt verlassen?« Die Stimme war

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