Die Macht der Steine
tiefer als die von Thinner, hörte sich ansonsten aber gleich an.
»Ich habe Freunde andernorts und ein Leben in der Vergangenheit, zu dem ich zurückkehren möchte. Ich habe hier nichts zu suchen.«
»Du hast die ganze Vergangenheit hier, unendlich viele Dinge zu lernen.«
»Ich möchte einfach nur weg.«
»Du kannst jederzeit gehen.«
»Wie?«
»Das ist allerdings ein Problem. Nicht alle Systeme von Mandala kooperieren mit dieser Einheit…«
»Welcher Einheit?«
»Ich bin der Architekt. Das System basiert auf Routinen, die vor tausend Jahren implementiert wurden. Du kannst gern versuchen, die Stadt zu verlassen – wir würden sicher nicht versuchen, dich aufzuhalten –, aber es könnte schwierig werden.«
Eine Minute lang trommelte Jeshua mit den Fingern auf dem Rechner herum.
»Was meinst du damit, der Architekt?«
»Die Einheit, die konstruiert wurde, um die Errichtung der Gebäude der Stadt zu planen und zu koordinieren.«
»Könntest du Thinner veranlassen, herzukommen?«
»Die Thinner-Einheit wird gerade restauriert.«
»Ist er ein Teil des Architekten?«
»Ja.«
»Wo befindest du dich?«
»Wenn deine Frage darauf gerichtet ist, ob ich einen festen Standort habe: Ich habe keinen. Ich bin ein Teil von Mandala.«
»Kontrolliert der Architekt Mandala?«
»Nein. Nicht alle Einheiten der Stadt stehen mit dem Architekten in Verbindung. Nur wenige.«
»Die Cyborgs wurden von dem Architekten erschaffen«, mutmaßte Jeshua.
»Ja.«
Jeshua trommelte erneut mit den Fingern, stand dann vom Computer auf und verließ das Appartement. Er ging auf die Terrasse, schaute über die Ebene und knirschte frustriert mit den Zähnen. Ihm schien gerade etwas höchst Bedeutsames zu entgehen.
»He.«
Er schaute auf. Das Mädchen war auf der Terrasse zwei Ebenen über ihm und hatte die Ellbogen auf das Geländer gelegt.
»Es tut mir leid, daß ich dich erschreckt habe«, entschuldigte er sich.
»Dat ich, hast nit schreckt. Bissken Schock, aber dat alles lausig immer gleich, für immer dat sie fort gezz. He, ich hab Warnung für dich.«
»Was? Eine Warnung?«
»Sie haben Späher hier, zwisch’n Mandala un’ wer sie gebaut.«
»Ich verstehe nicht.«
»Nix comprende? Hör mir gut zu, wie all dat z’sammhängt. Dat sie, wurde getragen von Polis, als dat sie bewegen, Woch od’r zwei vorher. War nit lustig. Gehen un’ getragen werden, war ich. Nit lustig.«
»Die Stadt hat sich bewegt? Warum?«
»Um den Teil hinner sich zu lasse, den sie Erbauer nennen.«
»Den Architekten? Du meinst, Thinner und die Informations-Computer?«
»Un’ auch die Körper, die verletzt sind.«
Allmählich verstand Jeshua. Es existierten in Mandala mindestens zwei konkurrierende Fraktionen – die Stadt und etwas innerhalb der Stadt, das sich als Architekt bezeichnete.
»Wie kann ich mit der Stadt sprechen?«
»Die Polis nit sprech.«
»Warum will der Architekt uns hier haben?«
»Weiß nit.«
Jeshua massierte sich den Nacken, um einem Krampf vorzubeugen. »Kannst du herkommen und mit mir sprechen?«
»Nein, jetzt bist du voller Mann… zu stark für dat mich, zu groß. Nit fick.«
»Ich werde dir nichts tun. Ich habe schon die ganze Zeit so gelebt – werde es auch noch etwas länger aushalten.«
»Ups!« Sie zog sich vom Geländer zurück.
»Warte!« rief Jeshua. Er drehte sich um und erblickte Thinner, der sich wieder im Besitz seiner vollen Körperlichkeit befand und an der abgerundeten Ecke der Eingangshalle lehnte.
»Du hast also mit ihr sprechen können«, konstatierte Thinner.
»Ja. Hat mich doch neugierig gemacht. Und der Informations-Computer.«
»Haben wir erwartet.«
»Dann kann ich also ein paar Antworten bekommen?«
»Natürlich.«
»Warum bin ich hierhergebracht worden – um mit dem Mädchen zu schlafen?«
»Guter Gott! Nein.« Thinner bedeutete ihm zu folgen. »Ich befürchte, daß du dich inmitten eines sich zuspitzenden Kampfes befindest. Die Stadt lehnt alle Menschen ab. Aber der Architekt weiß, daß eine Stadt nicht ohne Menschen auskommt. Alles andere wäre eine Farce.«
»Wir wurden wegen unserer Sünden ausgestoßen«, meinte Jeshua.
»Das ist unangenehm, aber weniger für dich als für uns. Der Architekt hat die Stadt anhand der von Menschen vorgegebenen Spezifikationen errichtet – aber jeder gute Konstrukteur müßte es erkennen, wenn ein Programm eine latente Psychose aufweist. Ich befürchte, daß die Welt dadurch um einige Jahrhunderte zurückgeworfen wurde. Der Architekt
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