Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
zufriedene, geheilte und hochgebildete… was eigentlich? Die Erlöserin, welche die Wiederauferstehung brachte?
    Keiner der anderen Bewohner schenkte ihr viel Beachtung, und sie mißtraute ihnen überwiegend. Sie waren wohl freundlich, schienen aber nicht zu würdigen, was sie an ihr hatten. Die Art, in der sie Wiederauferstehung genossen, war fast unverantwortlich. Einmal ertappte sie auf einem Spaziergang Rebecca und Belshezar, wie sie in einem Springbrunnen auf einer der oberen Ebenen kopulierten. Ihr schauderte. Und doch… Sie vergnügten sich nur nach Jahren der Entbehrungen und Monaten des Kampfes und der Qualen. Sie spürte die Versuchung, sich ebenfalls gehenzulassen, aber von der Schwäche des Körpers und Charakters fehlte nicht mehr viel bis zur Schwäche des Geistes, und davor graute ihr. Nie wieder diese Angst.
    Als sie auf einer Parkbank saß, in der Nähe einer funkelnden Glassäule, welche die obersten Sektionen der Stadt mit flüssigen Nährstoffen versorgte, verliebte sie sich wieder, jedoch nicht in den Luxus und den Müßiggang, sondern in die Idee, die ihre Vorfahren einst entwickelt hatten. Das Leiden dort draußen hatte nichts Heiliges, und es existierte nur die Perspektive eines langsamen, beschwerlichen Weges zurück zu den gesellschaftlichen Normen, unter denen die Städte entstanden waren. Sie spürte die Hoffnung auf einen plötzlichen Entwicklungsschub, der von den Erfahrungen der Vergangenheit profitierte.
    Und um das zu realisieren, mußte sie lernen, die Stadt zu kontrollieren und zu verschönern. Irgendwo in den Speichern der Stadt mußte es Instruktionen geben. Sie betrat den Rasen und legte mit Tränen in den Augen die Arme um die Säule, in der die Flüssigkeit rauschte. »Allah, Allah«, betete sie. »Beschütze mich! Ich werde wieder verrückt, solche Dinge kann ich doch gar nicht träumen. Vor wenigen Tagen war ich noch schmutzig und dem Tode nahe. Wer bin ich, daß ich wünschen dürfte, das Paradies zu beherrschen?«
    Dann wischte sie sich die Tränen aus den Augen und trat zurück, wobei es ihr vom lebendigen Pulsieren des Blutes der Stadt in den Händen kribbelte. Der Wahnsinn kehrte doch nicht wieder, oder zumindest handelte es sich nur um einen Irrsinn, der einen noch größeren Irrsinn bekämpfte – das verrückte Exil von tausend Jahren.
    »Es ist Zeit, umzukehren«, flüsterte sie, wobei sie angesichts dieses Monologes Unbehagen verspürte. »Wir haben die Menschlichkeit verloren und müssen umkehren.«
     
    Durragon spähte über das Feld auf die Masse der marschierenden Stadt. Das Haar stand ihm zu Berge. »Sie ist vor drei Stunden aus den Hügeln im Westen gekommen«, meldete Breetod. Nun verlegte sie der Armee den Weg.
    »Sie ist sehr krank«, diagnostizierte Nebeki. »Sie bewegt sich langsam. Viele Teile sind schon tot.«
    »Sie ist wie eine Frau ohne Mann«, bemerkte Durragon. »Ein Geist, der von einem Ort zum anderen wandert.«
    Nebeki schaute zu Breetod hinüber und hob eine Augenbraue. Es geschah nur selten, daß Durragon poetisch wurde; der Anblick der wandernden Stadt bewegte ihn offensichtlich.
    »Wir glauben, daß es sich hier um die Stadt Tomoye handelt«, sagte Breetod. »Sie hat sich fünfzig oder sechzig Jahre auf einem Hügel im Westen befunden, während die meisten anderen Städte durch die rasiermesserscharfen Grate der Berge umgekommen sind.« Vor zwei Jahren hatten Durragons Armeen die Berge überquert und die Ruinen der gescheiterten Städte gesehen.
    »Bringt mir den Habiru«, verlangte Durragon. Nebeki trottete davon, um den Lehrer zu holen. Der alte Mann murmelte Beschwerden, als er den Sandhügel heraufgescheucht wurde, wo Durragon auf seinem grünen Reittier saß.
    »Was gibt es, General?« fragte er mit plötzlicher Unterwürfigkeit. Er verneigte sich vor dem vieläugigen Kopf des erbeuteten Stadt-Teiles.
    »Wie viele Städte existieren heute noch?«
    »Eine Handvoll, General. Die meisten haben sich aufgelöst, sind tot, oder ihre Teile haben sich verselbständigt.«
    »Wie viele?«
    Ezeki Iben Tav schürzte die Lippen. »In dieser Gegend vielleicht drei. Die am nächsten gelegene Stadt befindet sich auf der Hochebene. Als Junge habe ich sie oft gesehen. Ohne Zweifel stirbt sie so schnell wie diese hier.« Er deutete auf die marschierenden Säulen, Stützpfeiler und Wände, mit den Transportfahrzeugen und spinnenartigen Führungsmodulen. »Ich weiß nicht, ob sie sich jemals wieder zusammensetzen wird, wenn sie ihr Ziel erreicht hat. Das

Weitere Kostenlose Bücher